Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Helen. »Und ich habe alles im Griff. Hört mal, Mädels, ehe Virginia kommt, sollte ich euch vielleicht sagen, dass ihre Mutter im Sterben liegt. Schilddrüsenkrebs. Sie will bestimmt nicht darüber reden, aber sicherheitshalber …«
»Wie schrecklich«, sagt Ereka und schüttelt traurig den Kopf.
»Tut mir leid, das zu hören«, stimmt CJ zu.
»Furchtbar traurig«, seufzt Summer.
Maeve schweigt.
Ich rücke dicht an Helen heran. »Mir hast du auch nichts davon gesagt«, flüstere ich.
»Und?«, fragt Helen sehr unschuldig.
»Wir haben einen lang ersehnten Wochenendausflug organisiert, und du hast deine Freundin eingeladen, deren Mutter gerade an Krebs stirbt. Meinst du nicht, dass das … ich weiß auch nicht … die Stimmung dämpfen könnte?«
»Ach was, Virginia doch nicht. Sie wird es wahrscheinlich nicht mal erwähnen.«
»Entschuldige mal, wenn deine Mutter im Sterben läge, warum würdest du dann übers Wochenende wegfahren?«
»Sie hat keine enge Beziehung zu ihrer Mutter. Die Frau ist eine blöde Kuh. Das passt schon.«
»Oh«, sage ich, und es ist mir peinlich, wie erleichtert ich darüber bin, dass wir wohl doch keiner am Boden zerstörten Fremden in ihrer Trauer werden beistehen müssen. Ich frage mich, wie das sein mag – sich nicht groß um die eigene sterbende Mutter zu scheren. Da meine eigene Mutter alles andere als eine blöde Kuh ist, kann ich mir das einfach nicht vorstellen. Wenn sie im Sterben läge, wäre ein verrücktes Wochenende mit Helen und ihren mörderischen Cocktails das Letzte, was mir einfiele.
»Was kochst du uns denn nun Schönes?«, fragt Ereka.
Darauf sagt meine Freundin, noch dazu meine beste, mit einem breiten Lächeln im Gesicht und ausgebreiteten Armen ungelogen: »PIZZA!« Als wäre das eine wunderbare Neuigkeit.
»Oh, lecker.« Ereka grinst.
»Mein Lieblingsessen«, erklärt CJ.
»Du meine Güte, ich habe schon ewig keine Pizza mehr gegessen – ich teile mir eine mit jemandem«, sagt Maeve.
»Immer her damit«, jubelt Summer und winkt mit beiden Händen.
»Ich kann keine Pizza essen«, sage ich.
»Du wirst ja mal einen Abend eine Ausnahme machen können«, entgegnet Helen. »Sei keine Spielverderberin.«
»Im Ernst, du isst keine Pizza?«, fragt Summer, als hätte ich gerade ausgeplaudert, dass ich mir nach dem großen Geschäft nicht die Hände wasche. »Bist du allergisch gegen Käse?«
»Nein, ich bin nicht allergisch. Aber Pizza ist sehr …« Mir fällt kein Wort ein, das nicht herablassend und besserwisserisch klingen würde. »… ungesund … praktisch Gift auf dem Teller … fett. Ich esse lieber etwas mit weniger Fett und Kohlehydraten und dafür mehr Eiweiß.«
»Dir geht es doch bloß um die Kalorien«, sagt Helen.
»Kann sein, na und? Schlag mich.«
»Seht ihr, was ich meine?« Helen nickt CJ und Ereka vielsagend zu.
CJ kichert hämisch.
»Na, das ist ja mal nett. Ihr habt hinter meinem Rücken über mich geredet.«
»Ich habe Helen nur gefragt, wie du so viel abgenommen hast«, erklärt Ereka. »Darauf hat sie gesagt, du wärest sehr diszipliniert.«
Ich bin verärgert. Unangemessen verärgert. Disziplin ist weder eine Persönlichkeitsstörung noch eine Geschlechtskrankheit oder ein Suchtmittel. Sie ist sogar eine sehr begehrte Eigenschaft – nicht wenige Leute geben Unsummen für Personal Training und Lebensberatung aller Art aus, um sie zu meistern. Und ja, zum Abnehmen braucht man viel Disziplin. Ich habe in den vergangenen drei Jahren viele Dinge abgelehnt, die ich liebend gern verschlungen hätte. Naserümpfend die Crème Caramel ignoriert und mageres Fleisch gekaut, während anderen der Burgersaft übers Kinn gelaufen ist. Ich wurde für meine Selbstbeherrschung geächtet, verurteilt und lächerlich gemacht. Gehänselt und schikaniert von Leuten, die mich nur mit in die Tiefen ihrer Speckfalten und Wabbelschenkel hinabziehen wollen. Aber ich frage euch: Ist gastronomische Disziplin vielleicht ein Verbrechen? Ich habe jedenfalls noch nichts von einer Konvention gegen die Einhaltung persönlicher Grundsätze im Falle einer Pizza gehört.
»Von den unzähligen Rezepten in den vielen Kochbüchern, die du durchgeblättert hast, um zu entscheiden, was du heute Abend für uns kochen willst, hast du dir ausgerechnet Pizza ausgesucht? Das einzige Gericht, das praktisch einer Fettinfusion gleichkommt … Ich bin enttäuscht von dir«, sage ich.
»Das wird eine richtig, richtig gute Pizza«, hält Helen dagegen. »Mit
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