Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Ganze filmisch dokumentiert –, sehe ich, wie Maeve in ihrem Sessel unruhig wird. Der Blick, den sie in die Landschaft wirft, erscheint mir sehnsüchtig.
Ich stehe auf, lege CJ beide Hände auf die Schultern, küsse sie auf den Kopf und sage: »Mögt ihr noch lange Spaß daran haben.« Dann bedeute ich Maeve, mir zu folgen.
»Aber das Beste hast du noch gar nicht gehört«, protestiert CJ.
»Heb es dir für später auf«, sage ich und ziehe Maeve zur Terrassentür. »Wir sind bald wieder da – ich habe Maeve das Haus noch gar nicht gezeigt.«
»Neue Beziehung«, flüsterte ich auf dem Weg zur Treppe.
Maeve trägt ihren handgeflochtenen Korb, während ich mir ihr schickes rotes Kroko-Köfferchen geschnappt habe.
»Sie ist in der Flitterwochenphase. Durchaus beneidenswert«, sagt Maeve.
»Sie ist Anwältin. Da sollte sie eine moderatere Version zum Besten geben können, je nachdem, wer gerade zuhört«, entgegne ich. Mir wird bewusst, dass dies ein Versuch ist, mich zu entschuldigen.
»Du meine Güte, warum sollte sie? Ich bin die Neue in der Runde. Außerdem hört es sich so an, als hätte sie da mit Kito und Harvey was Erstklassiges am Laufen.«
Ich nehme an, eine Ethnologin hat alles schon mal gesehen.
»Wäre es nicht toll, in so einem Haus eine Wohngemeinschaft für alleinstehende Mütter einzurichten?«, schlägt Maeve auf der Treppe vor.
Wenn ich meine feministischen Neigungen kurz beiseiteschiebe, finde ich die Vorstellung, mir ein großes Haus mit einer Gruppe sexuell unausgelasteter, alleinstehender Frauen und ihren vaterlosen Kindern zu teilen, alles andere als prickelnd. Es ist eindeutig: Ich rutsche von der Kinder-sind-so-wunderbar-je-mehr-desto-lustiger-Phase der Elternschaft in die Werd-endlich-erwachsen-und-such-dir-einen-Job-Phase ab.
»Ich würde ein Seminarhaus für Schriftsteller daraus machen, wo man auch mal ein paar Wochen in Ruhe arbeiten kann«, sage ich. »Und die Kinder zu Hause lassen.«
»Deine Idee ist definitiv besser. Ich weiß gar nicht, wie ich auf so etwas komme.«
Ich halte ihr die Tür zu dem rosa Badezimmer auf. Maeve wirft einen Blick hinein und lacht herzhaft.
»Das hat zweifellos einen anzüglichen, frivolen Reiz. Jetzt verstehe ich, was Helen mit dem viktorianischen Bordell gemeint hat.«
Dann zeige ich ihr mein Zimmer mit dem großen Erkerfenster, der Chaiselongue und dem antiken Schrank und sage: »Wir können uns das Zimmer gern teilen.«
Ohne ein Wort stellt sie ihren Korb auf das zweite Bett. Wir haben schon öfter Zeit zusammen verbracht, das klappt bestimmt. Ich kenne ihre Ansichten über die Auswirkungen von HIV auf die Länder der Dritten Welt, die Klimaerwärmung und die Tatsache, dass Anne Enright und nicht Ian McEwan 2007 den Booker Prize gewonnen hat. Aber im Augenblick erscheint mir das ein bisschen dünn für die Vertrautheit, die erforderlich ist, wenn man sich ein Zimmer teilt. Jetzt, da unsere Kopfkissen einen Meter nebeneinander liegen, wird mir bewusst, dass Maeve beinahe eine Fremde ist. Wenn ich Glück habe, schnarcht sie ebenfalls. Was für ein dummer Gedanke – was sollte gut sein an gegenseitiger Verlegenheit und schlaflosen Nächten für uns alle beide?
Ich lasse Maeve in Ruhe auspacken, denn mir will kein Vorwand einfallen, um ihr dabei über die Schulter zu gucken. Außerdem ist das reine Verzweiflung. Statt wieder nach unten zu gehen, schlendere ich hinüber ins Kinderzimmer. Ich setze mich auf den Schemel vor dem Klavier und drücke auf eine Taste. Ich kann nicht einmal beurteilen, ob es richtig gestimmt ist. Jamie könnte das. Sie spielt Klavier, Saxophon und E-Gitarre. Sie hat Talent, umso bedauerlicher ist ihre Einstellung. Ich fische mein iPhone aus der Hosentasche und scrolle mich durch die Fotos von meinem Geburtstag vor ein paar Monaten. Darunter ist ein Bild von mir und Jamie, auf dem wir uns fest aneinanderdrücken, Wange an Wange. Man könnte schwören, dass sie mich liebhat, wenn man es sieht.
Ich erinnere mich an sie, als sie noch klein genug war, um auf dem Kopfkissen neben mir zu passen. Das ist keine schwache Erinnerung, die ich mühsam in mir wachrufen müsste. Sie ist lebendiger als unser Streit am Telefon vor ein paar Stunden. Es war, als hätte ich sie ausgeatmet – etwas Warmes von mir auf dieses Kissen. Mein Bett war ihr Bett. Mein Teller war ihr Teller. Meine Spucke war ihre Spucke. Mein Körper war ihr Spielplatz. Ich hatte keine eigenen Gefühle mehr. Meine Emotionen verschmolzen mit ihren, sie
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