Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
nicht mit der schmutzigen in einem Fach liegen möchte. Die Unterwäsche hat sogar einen eigenen Beutel. Meine Reisetasche in der Ecke ist ein Müllhaufen dagegen, frische Sachen fraternisieren mit getragenen, Höschen hängen mit Pullovern herum. Maeves Präzision empfinde ich wie einen strengen Tadel, als würde dieser Gegensatz etwas über mich aussagen. Dass ich achtlos bin. Dabei bin ich in Wahrheit sehr pingelig, was die wirklich wichtigen Dinge angeht. Aber wir alle machen hier und da mal Fehler.
Maeve zieht ihre chiffonartige Bluse aus und legt sie über ihren Korb. Mit dem Rücken zu mir beugt sie sich leicht vor und öffnet ihren BH. Sie hat eine Narbe dicht unter dem Schulterblatt, und ich werde sie nicht fragen, ob die von einer Operation oder einem Unfall stammt. Ich gehe davon aus, dass es ihr lieber wäre, wenn ich ihren nackten Körper nicht mustern und insgeheim kommentieren würde. Hastig holt sie ein weißes Baumwollnachthemd aus ihrem Koffer und zieht es sich über den Kopf. Ordentlich und praktisch. Es reicht ihr bis über die Knie. Sie mag eher große Sachen. Ich frage mich, ob Stan ein großer Mann ist. Dann ermahne ich mich, dass mich das nichts angeht. Sie holt eine ganze Handvoll Medikamentenblister aus ihrem Kulturbeutel, drückt mehrere Tabletten durch die Folie und geht dann in das erdbeerrote Bad. Ich werde ganz sicher nicht in ihrer Privatsphäre herumschnüffeln und nachsehen, was für Pillen sie braucht. Es könnten ja auch Vitamine sein, Nahrungsergänzungsmittel, so was in der Art.
Diese Nacht wird unsere Beziehung zueinander verändern. Ich habe Maeve im BH gesehen. Ich habe die Narbe an ihrem Rücken gesehen und die kleinen Schritte der Selbsterhaltung beobachtet, die sie sonst unternimmt, wenn sie allein ist. Diese Rituale der Pflege und Gewohnheit, die wir in unserem sicheren Rückzugsraum vollziehen, legen uns bloß. Unsere Verbindung hat etwas von ihrer besonderen Mystik eingebüßt. Ich frage mich, ob ich Maeve verliere.
Sie kommt ins Zimmer zurück, kramt in ihrem Koffer herum und holt einen kleinen Samtbeutel heraus. Ich habe den Eindruck, dass sie mir etwas sagen, mir etwas anvertrauen will. Dann stellt sie ihren Koffer auf den Boden und sagt: »Würde es dich sehr stören, wenn … Es leuchtet wirklich nur schwach.«
Sie holt ein Nachtlicht aus dem Samtbeutel.
»Nein, überhaupt nicht«, antworte ich. Ein Nachtlicht?
»Falls es dich doch stört, sag es einfach, dann schalte ich es aus.«
Sie stellt es neben ihr Bett und schlüpft unter die Decken.
»Dann ist die Dunkelheit nicht ganz so pechschwarz.«
Wir liegen eine Weile unter den Halbkreisen aus Licht, die unsere Nachttischlampen an die Wand hinter uns werfen.
»Denkst du immer noch darüber nach, was beim Abendessen passiert ist?«
»Ich hätte den Mund halten sollen.«
»Weil sie ein behindertes Kind hat?«
Ich nicke.
Maeves Schweigen deutet an, dass sie das anders sieht. Oder dass ich das Ganze nicht klug genug betrachte. Aber ich weiß nicht, welche Hürden Ereka überwinden muss, bis sie ins Bett gehen kann. »Meine Erfahrungen als Mutter sind so anders als ihre.«
»Du bist doch mehr als eine Mutter? Und sie auch.«
Ich schon, natürlich. »Allerdings weiß ich nicht, ob Ereka neben ihren Kindern noch ein Leben hat. Alles dreht sich um Olivia. Sie wird wohl nie nach Afrika reisen und etwas über Nilpferd-Eckzähne erzählt bekommen.« Ich will nicht so kritisch klingen.
»Das ist nichts als ein gesellschaftliches Konstrukt – die Mutterrolle. Wenn es sich zu eng anfühlt, quetscht sie möglicherweise das Leben aus uns heraus. Wie bei den armen hässlichen Schwestern, die versuchen, ihre Füße in den goldenen Schuh zu zwängen. Ich persönlich glaube ja, dass Aschenputtel eine Zwergin gewesen sein muss.«
Das ist nun wirklich nicht politisch korrekt. Maeve selbst ist beinahe kleinwüchsig. Eine Art rundliche Susan-Boyle-Zwergin. Ich liege da und denke an Schuhe und Füße.
»Hast du dich als Jonahs Mutter so gefühlt?«
»Manchmal, ja. Wir alleinstehenden Mütter gelten als Abschaum der Elternschaft – Schule abgebrochen, Ehe gescheitert, wegen einer Jüngeren sitzengelassen oder gleich unehelich schwanger geworden … Diesen Schuh habe ich mir nicht angezogen. Aus Selbstschutz. Und ich habe mir Hilfe geholt und nicht versucht, alles allein zu schaffen.«
»Deine Mutter?«
Sie zögert. »Meine Mutter ist leider bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich fünfzehn war.«
»Das
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