Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
einfach nicht in Frage. Nicht in diesem Alter jedenfalls – inzwischen vielleicht, ja.«
»Könnte man nicht auch sagen, dass sie einfach tragisches Pech hatten?«, fragt Maeve. »Was ist mit Jessica Watson? Ihre Eltern haben sie bei ihrem Vorhaben unterstützt, mit siebzehn allein einmal um die ganze Welt zu segeln.«
»Oh, ja, die ist echt cool«, schwärmt Summer.
»Das würde ich Jamie nie erlauben.«
»Nicht mal, wenn es ihr größter Traum wäre?«, fragt Maeve.
»Es gibt andere Träume. Der ist zu gefährlich.«
»Hältst du Jessica Watsons Eltern für verantwortungslos?«, bohrt Maeve weiter nach.
Ich rutsche ein wenig auf meinem Sessel herum. In Wahrheit denke ich das natürlich. Es war einfach nur Glück, dass ihre Tochter heil wieder nach Hause gekommen ist. Wenn diese Geschichte nicht so gut ausgegangen wäre, hätte die ganze Welt Jessica Watsons Eltern genauso schlechtgemacht wie die McCanns. »Warum sollte jemand das Leben seines Kindes aufs Spiel setzen?«, halte ich dagegen.
»Von dem Moment an, wenn du schwanger wirst, spielst du ständig mit dem Leben deines Kindes«, sagt Helen. »Aber du kannst nicht in jeder Sekunde auf es aufpassen. Du musst ihm auch seine Unabhängigkeit zugestehen.«
Ich zucke mit den Schultern. Zugegeben, Helens Kinder sind alle robust und unabhängig. Sie hat ihnen erlaubt, auf der heißen Herdplatte zu kochen, Gemüse mit scharfen Messern zu schnippeln, auf der Straße Fahrrad zu fahren und allein in der Nachbarschaft herumzulaufen, als sie noch ganz klein waren, und ihnen dazu nicht mehr mit auf den Weg gegeben als »Seid vorsichtig«.
Vor ein paar Jahren waren wir bei Helen zu Besuch, damals war Nathan neun und Aaron sieben. Nathan fragte, ob er mit Aaron zum Laden gehen dürfe, weil sie sich ein Eis kaufen wollten. »Bleibt schön zusammen und geht nur über die Straße, wenn das grüne Männchen leuchtet«, sagte Helen und formte weiter Hackfleischklößchen fürs Abendessen.
Daraufhin packte ich die Jungen beim Handgelenk und schärfte ihnen leise ein: »Geht direkt zum Laden. Bleibt auf dem Gehweg. Wenn ein Auto neben euch hält, lauft ihr zum nächsten Haus, klingelt und fragt, ob ihr das Telefon benutzen dürft. Steigt zu niemandem ins Auto. Sprecht mit niemandem. Kommt sofort auf dem gleichen Weg hierher zurück. Wenn ihr in einer Viertelstunde nicht wieder da seid, rufe ich die Polizei. Habt ihr mich verstanden?«
Als die beiden Jungen aus dem Haus liefen, wurde mir bewusst, dass es unmöglich war, einen Tropfen erwachsener Furcht vor echten Gefahren in Aarons Schneekugel von einer unschuldigen Seele zu träufeln, ohne sie ganz zu zerbrechen. Unsere nichtsahnenden Kinder stehen mit einem Bein in der Welt der Jeffrey Dahmers, Josef Fritzls und Anders Breiviks und mit dem anderen in einem magischen Königreich, in dem nie jemand stirbt, verhungert, gefoltert oder vergewaltigt wird. Für sie ist das Böse nichts weiter als ein Halunke, den der Held unweigerlich besiegen wird.
Vielleicht fehlt mir einfach die Robustheit – oder das Vertrauen –, die ich als Mutter entwickeln müsste, um loslassen zu können. Das ist eine Schwäche, eine Krankheit. So, wie andere Leute Diabetes haben oder eine kaputte Bandscheibe.
Ich schiele auf mein Handy. Mutter zu sein ist kein Beliebtheitswettbewerb. Gehasst zu werden gehört in diesem Job einfach dazu.
Nur einen winzigen Augenblick lang frage ich mich: Was ist Jamies größter Traum? Und ob sie mir überhaupt davon erzählen würde, wenn sie einen hätte.
Ich widme ihr doch meine volle Aufmerksamkeit. Ich kenne ihre Schuhgröße, ihre Körbchengröße und ihren Menstruationskalender. Ich weiß, dass sie gern Mangos isst und Maki-Sushi mit Thunfisch und Gurke. Und ich kenne ihren Lieblingskuchen – Käsekuchen.
Erekas Kuchen steht noch immer auf der Küchentheke. Das Ding mit Ingwer und Zitronen-Myrten-Was-weiß-ich und zwanzig Milliarden Kalorien.
Ich starre ihn an.
»He, wie wäre es, wenn wir alle zusammen mit dem Kuchen hoch zu Ereka gehen?«
»Vielleicht braucht sie noch etwas mehr Zeit«, sagt Maeve.
»Torte ist wahrscheinlich das Letzte, wonach ihr zumute ist, nachdem du sie als fettes Schwein bezeichnet hast«, setzt CJ hinzu.
»Habe ich nicht.«
»Oder war es wabbeliges Walross?«, wirft Helen ein.
»Nein, ich weiß es, fettes Flusspferd«, sagt Virginia kichernd.
»Ja, tut euch nur alle gegen mich zusammen«, protestiere ich.
»Überlasst das mir«, sagt Summer. »Ich werde Ereka schon
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