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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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»besucht« und dann wieder geht, damit sie niemanden so sehr lieben muss, dass sie ihn verlieren könnte. Ich bin keine Psychologin, ich entwerfe hier nur ein Bild. Wie könnten wir einen anderen Menschen auch jemals wirklich kennen? Ich weiß nicht einmal alles über meine eigenen Kinder. Früher schon. Jede Beule und jedes Härchen, jedes Wort, das sie sagen konnten. Aber sie neigen sich immer mehr sich selbst zu und damit von mir weg. Ich tappe noch nicht ganz im Dunkeln, doch das Licht wird schwächer.
    »Muss ich sonst noch irgendetwas wissen?« Ich fürchte mich ein wenig vor meinen eigenen Fragen.
    »Das war’s im Wesentlichen. Man hofft eben immer, die eigene Quote an Tragödien für dieses Leben bereits erfüllt zu haben.«
    Es wäre jetzt richtig, die Hand auszustrecken und sie auf Maeves Arm zu legen. Aber erstens stehen unsere Betten zu weit auseinander, und zweitens habe ich zwar einen Ausblick auf die Schlucht ihrer tiefsten Verletzung erhalten, jedoch keinen Zutritt dazu. Das ist schließlich keine Touristenattraktion.
    »Erlaube dir ja nicht, mich zu bemitleiden«, warnt sie mich.
    Oh, klar. Ich an ihrer Stelle würde ja Einladungen zu einer großen Ich-Ärmste-Mitleidsparty verschicken. So bin ich eben. Maeve ist in der Phase ihres Lebens, in der sie es akzeptiert, wie es ist. Wut, Verleugnung – hat sie wahrscheinlich alles schon durchgemacht. Ich verstehe schon. So wird man ganz. Autark. Maeve bemitleidet weder sich selbst noch andere. Jetzt ist sie müde, allein vom Erzählen. Abgesehen davon sagt sie mir damit: Auch wenn wir uns die Dinge in unserem Leben nicht ausgesucht haben, gibt es Möglichkeiten, gut damit zu leben.
    Ich drehe mich auf die Seite, so dass ich Maeve den Rücken zuwende. Ich erinnere mich an Nick Nolte in Reich und arm. Er war der Typ »großer Junge« – wie Callum einer ist und Aaron eines Tages einer sein wird. Als ich ihn Jahre später in Herr der Gezeiten sah, hatte er sich in einen übergewichtigen Schauspieler mittleren Alters verwandelt. Ich weiß noch, wie enttäuscht ich war.
    »Und, hast du sie gesehen? Die letzte Folge von Reich und arm? «
    »Ja. Tom stirbt, erinnerst du dich? Er wird erstochen.«
    »Aber vorher versöhnt er sich noch mit seinem Bruder Rudy. Kein richtiges Happy End, trotzdem besser als nichts …«
    Maeve schweigt eine Weile. »Solange lag allein in unserem Zimmer und schluchzte, weil unsere Mutter tot war. Und ich saß im Wohnzimmer und schluchzte wegen Tom Jordache.«
    Ich warte. Ich weiß, dass da noch mehr kommt.
    »Das hat mir Angst gemacht. Zu wissen, dass ich so ein Mensch bin.«
    »Du warst fast noch ein Kind, Maeve.«
    Sie antwortet nicht. Ich starre ins Halbdunkel.
    Vor einer Weile waren Frank und ich mit den Kindern in den Jenolan-Höhlen – unterirdischen Kathedralen aus Kalkstein, die vielleicht nie entdeckt worden wären, wenn die Whalan-Brüder nicht einen Viehdieb gesucht hätten. Während wir durch den funkelnden, glänzenden Bauch des Berges gingen, ganz weit weg von Sonnenlicht, Sauerstoff und Wind, und die eigenartig beängstigende Schönheit bestaunten, dachte ich, dass manche Orte einfach nicht entdeckt werden sollten. Geheimnisse haben durchaus ihren Platz. Sie halten alles Mögliche zusammen. Wenn man sie auflöst, können ganze Dynastien zusammenbrechen.
    »Was glaubst du, was in diesem abgeschlossenen Zimmer ist?«, flüstere ich.
    »Ohne Schlüssel werden wir es wohl nie erfahren.«
    Ich gleite in den Schlaf hinüber und höre Maeves Atem. Ich nehme an, dass sie schon schläft, als ich sie sagen höre – vielleicht bilde ich es mir aber auch nur ein: »Virginia sollte bei ihrer Mutter sein.«

11  Alle sind untreu

    M aeves Bettdecken sind so säuberlich glatt gestrichen wie eine Uniformkrawatte am ersten Schultag. Langsam schiebe ich die Decken von mir. Mein ganzer Körper tut weh, als hätte jemand meine Ellbogen und Knie mit Sand gefüllt, während ich so unruhig schlief. Das Haus hat mich immer wieder mit seinem Ächzen und Stöhnen geweckt, wie Frank es zweifellos eines Tages tun wird. Ab drei Uhr früh habe ich scheinbar endlose Stunden lang Maeves Nachtlicht angestarrt, allerdings muss ich wieder eingenickt sein, denn jetzt ist es verschwunden, wie ein nachtaktives Tier am Morgen.
    Vor dem Fenster ist nichts als Nebel, so weit das Auge reicht, als hätte eine Wolke Blind Rise Ridge verschluckt. In Socken gehe ich in das rosarote Bad und trete in einen nassen Fleck. Deshalb ist »Scheiße« das erste

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