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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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Versuch.
    »Ist schon gut. Mit einem Kind wie Olivia verlierst du deine Freundinnen. Irgendwann bist du nur noch mit Eltern von behinderten Kinder befreundet. Letztlich kämpfen wir alle nur darum, unsere jeweilige Hölle durchzustehen. Andere Leute geben dich irgendwann auf, laden dich nicht mehr zu sich ein. Ich werfe das niemandem vor. Wenn ich Olivia nicht hätte, würde ich auch über teure Schulausflüge jammern und über Töchter, die sich ins Koma saufen oder viel zu jung Sex haben. Ich würde nichts davon hören wollen, wie eine andere Mutter mit ihrer Tochter ringen muss, damit sie ihre Medikamente nimmt, sich sauber hält und nicht in aller Öffentlichkeit an sich herumspielt.«
    Ich habe keine Ahnung, wie ihre Tage aussehen. Ich kenne nicht einmal solche Stunden. Sollte ich mich jemals wieder über meine Kinder beschweren, möchte ich öffentlich ausgepeitscht werden, ehrlich.
    »Wird es schwieriger, je älter sie wird?«
    Ereka nickt. »Die Leute haben sie schon immer angestarrt, aber es ist schlimmer geworden. Niemand erkennt, was dahintersteckt und welche Anstrengung es sie kostet, Dinge zu tun, die andere für selbstverständlich halten. Sich die Schuhe zubinden, einen Becher abspülen. Niemand kommt auf den Gedanken, was für Medikamente sie nehmen muss, um den Tag zu überstehen, genau wie ich.«
    »Finanziell kommt da sicher auch einiges zusammen«, bemerke ich, weil mir unser Gespräch von gestern wieder einfällt. Hoffentlich wirke ich nicht herablassend. Ich versuche nur, ihr eine Freundin zu sein.
    »Neulich stand eine schwangere Frau vor mir an der Supermarktkasse. Ich weiß nicht, warum ich sie gefragt habe, weil es mir eigentlich egal war, aber ich habe mich erkundigt, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Da hat sie gesagt: ›Das ist mir egal, Hauptsache, es ist gesund.‹ Ich musste einfach fragen: ›Und wenn nicht, was werden Sie dann tun?‹ Wenn Blicke töten könnten, sag ich nur. Also habe ich gesagt: ›Ich meine ja nur, dass nicht alle Babys gesund zur Welt kommen.‹ Da hat eine alte Dame mir von hinten auf die Schulter getippt und gesagt: ›Das reicht.‹« Ereka lacht.
    »Du Aufrührerin.«
    »Manchmal glaube ich, ich mache so etwas aus Rache. Wenn ich mich in der Öffentlichkeit um Olivia kümmere, sogar in einer öffentlichen Toilette, bleiben die Leute stehen und beschimpfen mich. ›Muss das hier sein?‹ Als würde ich vor ihren Augen pinkeln oder halbnackt herumlaufen. Als wäre meine Tochter allein deshalb anstößig, weil die Leute sie sehen müssen.«
    »Alles Idioten.«
    »Ich beneide euch alle so sehr. Vor allem beneide ich Maeve um ihre Freiheit.«
    Ich lasse sie neidisch sein und sage nicht: »Wenn du wüsstest, was Maeve auf dem Weg in die Freiheit überwinden musste …« Es ist Erekas gutes Recht, neidisch zu sein. Ich an ihrer Stelle wäre auch neidisch auf mich.
    »Wie ist das, Jo?«
    »Was denn?«
    »Ein Leben, in dem die Frage ›Warum?‹ nicht jeden Tag an deine Tür klopft.«
    Ich gerate ins Schleudern und suche nach ein paar weisen, wahren Worten. Leider finde keine. Ich habe mich selbst all dieser stummen Verurteilungen und Dummheiten schuldig gemacht, habe mich selbstzufrieden auf meinem fehlerlosen Leben ausgeruht. Ich bin eine einzige Enttäuschung.
    Ich lege die Hand auf Erekas. So sitzen wir da und halten Händchen wie zwei kleine Mädchen.
    Plötzlich lässt sie meine Hand los und sagt: »Ich habe in letzter Zeit … Symptome.«
    »Was für Symptome?«
    »Ich habe furchtbaren Durst, meine Hände und Füße kribbeln, und ich muss ständig aufs Klo.«
    »Du solltest mal zum Arzt gehen.«
    »Davor habe ich Angst.«
    »Ich begleite dich.«
    »Danke, ich bin ein großes Mädchen und brauche niemanden, der mir die Hand hält.«
    »Auch ein großes Mädchen braucht manchmal eine Mutter.«
    Ereka lehnt den Kopf an die Seite des Korbstuhls und neigt das Gesicht der Sonne entgegen. »Ich könnte meine Mutter jetzt wirklich gut gebrauchen. Sie war meine beste Freundin.«
    Ich weiß noch, wie Ereka mir vor Jahren erzählt hat, dass ihre Mutter kurz vor Olivias Geburt einen Schlaganfall erlitt. Seither ist sie gelähmt, kann nicht sprechen und lebt in einem Pflegeheim.
    »Wann hast du sie zuletzt besucht?«, frage ich.
    Ereka zuckt mit den Schultern. »Ich kann mich nicht erinnern. Es macht mich einfach zu traurig, sie zu sehen. Sie war eine so starke, patente Frau. Sie hat nie etwas weggeworfen – weder zerbrochenes Geschirr noch alte Zeitungen. Sie

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