Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
zerstört.«
»Meinst du?«
»Natürlich. So etwas würde er mir nie antun.«
»Bist du dir sicher?«
»Wir reden hier von Jake.« Sie schaut ein wenig verärgert drein, weil ich vergessen habe, was Jake für ein Mann ist – einer, den wir alle gern klonen würden, um ihn unseren alleinstehenden Freundinnen zum Valentinstag zu schenken. Auf einmal ist mir das wieder bewusst. Dass niemand Jake absichtlich verletzen würde. Außer, es ginge um Leben und Tod.
»Wenn ich ehrlich sein soll …« Einen Moment lang fühle ich, wie etwas in ihr in den Himmel steigt – ein Heißluftballon, der seine Sandsäcke abwirft. »Diese Momente waren die Highlights der letzten fünf oder sechs Jahre für mich. Ich fühle mich so … unanständig … so egoistisch … so absolut lebendig!« Sie strahlt. Ich kann mich nicht für sie freuen. »Das hat mir wieder Lebensfreude geschenkt. Sieh mich doch an – wie viel männliches Interesse werde ich wohl noch wecken? Das war ein Geschenk der Götter. Ein Geschenk …«
Ich lächle.
»Er ist Sänger. Und schreibt Songs.« Sie spricht jedes Wort so zärtlich aus, als umfasse sie eine hauchdünne Porzellantasse. »Das mit uns ist rein und leicht. Es öffnet etwas in mir, das ich längst verschüttet geglaubt hatte. Jake und ich haben diese Reinheit vor einer ganzen Weile verloren. Sie ist nun verdorben. Trotzdem will ich niemals so enden wie Liz. Ich will nicht, dass meine Ehe an einer Affäre zerbricht. Ich liebe Jake. Ich liebe ihn wie Regen und wie Kummer. Wir sind füreinander bestimmt, für immer. Wir werden noch eine Menge durchstehen müssen, und das kann ich nicht alleine. Ich brauche ihn. Aber diese Affäre habe ich auch gebraucht.«
Sie klingt wie ein Songtext.
»Tja, dann musst du es ausleben – lass dich treiben und warte ab, wohin es dich führt.« Ich bekomme Herzklopfen, wenn ich das nur sage … als wäre ich diejenige, die fremde Männer küsst. Dabei habe ich in diesem Augenblick eine Affäre mit dem Stück Kuchen.
Sie sieht mich mit schmalen Augen an. »Hätte ich nicht besser nein sagen sollen? Wie du es mir gestern Abend vorgehalten hast? Ist das nicht auch eine Frage von Willenskraft?«
Dieser Pizza-Skandal wird mich bis ins Grab verfolgen, das sage ich euch. »Willenskraft kostet Energie. Und du brauchst all deine Energie für Olivia.«
»Warum findest du Ausreden für mich?« Sie ist auf seltsame Weise empört.
Wenn ein behindertes Kind kein Freibrief für eine Affäre ist, was dann? »Keine Ahnung – wir tun alle, was nötig ist, um zu überleben. Triff dich nicht mehr mit Grant, wenn er dir nicht guttut. Nur ganz egal, was du tust: Du musst dir selbst verzeihen.«
»Zu verzeihen ist doch nur ein Freibrief dafür, seine Fehler zu wiederholen.«
»Es ist zugleich ein radikaler Akt der Liebe zu dir selbst.« Das habe ich mal irgendwo gelesen. Leider kann ich ehrlicherweise nicht behaupten, dass es mir eingefallen sei.
Sie schnaubt, als hätte ich ihr gerade vorgeschlagen, sich eine Gesichtshälfte tätowieren zu lassen.
»Willst du meine Freundin sein?« Ihre Augen sind nüchtern, scharf wie Eispickel. Das ist keine Facebook-Anfrage.
»Ja, Ereka.«
»Dann sag mir, was ich hören muss!«
Warum sie glaubt, ich wüsste das, ist mir ein Rätsel. Als hätte ich einen Riesenerfolg aus meinem Leben gemacht. Sie sollte Jamie mal hören, wenn sie auf mich losgeht. Ich taste mich genauso ungeschickt da durch wie alle anderen. Auch wenn ich es geschafft habe, sechzehn Kilo abzunehmen, und im Augenblick nicht verstehe, wie jemand zu diesem Torte nein sagen kann. Man müsste tot sein, um den nicht essen zu wollen. Ich frage mich, ob Grant ihre Haare beiseiteschiebt, an ihrem Nacken saugt und an ihrem Ohrläppchen knabbert. Ehemänner tun so etwas nie.
Ich nehme ihre Hand und drücke sie. Dann blicke ich mich auf der Suche nach Inspiration um. Leerer Vogelkäfig. Bunte Flaschen, die sich noch vor der Morgensonne verstecken. Jetzt wären wirklich ein paar Zeilen irgendeines Gedichts hilfreich. Wo ist Maeve, wenn man sie braucht? In meinem Mund reibt der Ingwer sich aufreizend an dem Manuka-Honig. Tennyson bellt in der Ferne.
Denn eh am ersten Haus das Boot
Vorüber glitt im Abendrot
Ereilte singend sie der Tod
Die Lady von Shalott.
Manche Dinge kann man nicht verlieren, wenn man sie einmal in sich trägt. Vergessen ist nicht dasselbe wie verlieren.
Ich sehe Ereka an. Irgendetwas in ihr ist eingestürzt. Ich kann die Lücke sehen, die es
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