Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
kommt. Gail und ich haben Bilder von Autos aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnitten und sie in ein Album geklebt. Natürlich haben wir sehr bald gelernt, per Anhalter zu fahren.«
»Gefährlich«, merke ich an.
»Manchmal habe ich Jungs angeboten, ihnen einen zu blasen, wenn sie mich mitnehmen.«
»Was?«, rufen Helen, Virginia und ich wie aus einem Mund. Sogar Maeve hat geblinzelt.
CJ lacht. »Angeboten – ich habe nicht gesagt, dass ich ihnen tatsächlich einen geblasen hätte. Zum Glück dauert es einen Moment, bis so eine Hose offen ist. Ich war nach einer Weile wirklich gut darin, aus dem Auto zu springen, sobald wir angekommen waren. Nur zweimal konnte ich mich nicht rauswinden.«
»Das ist eine wirklich äußerst bestürzende Geschichte, CJ«, sagt Ereka.
»Tja, es hat mir nicht geschadet. Schaut mich doch an. Ta-taaa!« Sie sagt es, als wäre sie ein Aushängeschild der Normalität und Ausgeglichenheit.
»Dein Vater war Alkoholiker?«, fragt Maeve.
»Ja, aber meine Mutter hätte selbst den Papst in den Suff getrieben. Er hatte ihr nichts entgegenzusetzen. Als er vor zehn Jahren starb, geriet sie völlig aus der Bahn. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Sie ging nicht mehr in die Kirche, warf alle ihre Kreuze weg, sogar das riesige Kruzifix in der Küche. Auf einmal ging sie per Internet auf Partnersuche, stakste in roten Highheels auf die Rennbahn und verprasste das bisschen Geld, das ich vielleicht geerbt hätte, beim Wetten. Neulich – das müsst ihr euch mal vorstellen – hat sie mir erzählt, dass sie einen Fickfreund habe. Also, bitte – woher kennt sie in ihrem Alter auch nur das Wort?«
»Die geht ja richtig ab«, sage ich.
»Wenn schon untergehen, dann mit wehenden Fahnen«, bemerkt Helen bewundernd.
»Irgendwie total krank.« Summer lacht.
Sogar Maeve kichert.
»Wie alt ist sie denn?«, fragt Virginia.
»Fünfundsiebzig. Und ihr kleiner Fickfreund ist zweiundfünfzig. Ich habe sie darauf hingewiesen, dass sie seine Mutter sein könnte, und sie hat mir zugezwinkert und gesagt: ›Ja, eben‹.« CJ schüttelt sich.
»Ich sollte unbedingt mal mit ihr einen trinken gehen. Vielleicht hat sie ein paar Tipps für mich, wie ich mir einen jungen Fickfreund an Land ziehen kann«, sagt Virginia.
»Bei ihrem hektischen Lebensstil hat sie natürlich nie Zeit, um auf die Kinder aufzupassen«, jammert CJ.
»Sie ist ein neuer Mensch«, sage ich und denke: CJs Mutter hätte es vermutlich längst in die Toskana geschafft, wenn das auf ihrer Liste stünde.
»Sie war eine schlechte Mutter. Da könnte sie wenigstens eine halbwegs anständige Großmutter sein.«
»Meine Mum ist echt mega-hilfsbereit«, sagt Summer. »Sie holt die Mädchen jeden Tag von der Schule ab, macht mit ihnen Hausaufgaben und kocht ihnen was.« Dann merkt sie offenbar, dass Beliebtheit hier nicht gerade nach einer coolen Mutter verlangt, und fügt schnell hinzu: »Aber sie ist oft furchtbar deprimiert, seit mein Vater sie verlassen hat …«
Ich frage mich, was Summer als Mutter eigentlich tut. Sie scheint so ziemlich alles delegiert zu haben.
»Wann ist dein Vater denn gegangen?«, fragt Maeve.
»Zwei Tage vor meinem fünften Geburtstag. Superfies, oder? Meine Mum hat auch gesagt, das war gemein, er hätte ruhig noch die zwei Tage warten können. Sie musste das ›Dad‹ auf meiner Geburtstagskarte durchstreichen, weil sie schon ›von Mum und Dad‹ draufgeschrieben hatte. Wir sind dann zu meinem Onkel Bernie gezogen, ihrem Bruder. Sonst wären wir in einer Sozialwohnung gelandet.«
Ich stelle fest, dass ich einiges überdenke. Summer ist keineswegs privilegiert aufgewachsen. Sie musste bestimmt mit anderen Klamotten teilen und geborgte Schuhe tragen. Jetzt verstehe ich, was da schiefgelaufen ist.
»Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich nicht mit meiner Mutter gesprochen hätte«, sagt Helen. »Ich berede einfach alles mit ihr. Ich schwöre euch, egal, worum es geht, sie hat immer recht. Ich weiß nicht, was ich ohne sie machen würde.«
Virginia lächelt, angesteckt von Helens Glück. Aber man sieht deutlich, wo ihr etwas fehlt. Da sind Löcher. Die Unebenheiten einer Persönlichkeit, die sich allein vom Mädchen zum Frausein durchhangeln musste. Ich werfe einen Blick zu Ereka hinüber. Ihre Muttergeschichten wurden plötzlich eingefroren, als ihre Mutter einen Schlaganfall erlitt, und sind derzeit in einer nur halb lebendigen Person verschlossen. Und Maeve … Sie hat eine
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