Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
sterbende Mutter, aber wenigstens um das, was nie geschätzt und gehegt wurde. Ich hasse eine derartige Verschwendung. Die Vergeudung eines Kindes. Wozu all das durchmachen, wenn man es nicht von ganzem Herzen genießt? Wie Amy Winehouse, das arme, alberne Ding.
Meine eigene Mutter war eigentlich nicht überfürsorglich, außer, wenn ich krank war. Ich erinnere mich noch gut an ihre weiche, warme Hand auf meiner Stirn, mit der sie prüfte, ob ich Fieber hatte. Die Sorge in ihren Augen, die für mich Liebe bedeutete. Wenn ich nicht zur Schule gehen konnte, setzte sie sich mit mir und meinen Malbüchern hin. Sie bekam selbst mit Buntstiften ganz ebenmäßige Striche hin. Manchmal denke ich, sie hätte Künstlerin werden können. Ich habe sie mal gefragt, woher sie das hat. Jedenfalls fühlte ich mich nie so sehr geliebt, wie wenn ich mich laufend übergeben musste oder glühendes Fieber wegen einer Mandelentzündung hatte. Eine ganz bestimmte Aufmerksamkeit konnte sie mir nur schenken, wenn meine Gesundheit auf dem Spiel stand. Diese Zeiten mit ihr waren sehr wertvoll für mich. Vermutlich liegt darin die Ursache für meine hypochondrischen Neigungen.
»Wir fanden es schön, wenn du krank warst«, sagt Helen zu Virginia. »Das war, als bekämen wir eine Schwester dazu. Meine Mutter wollte weitere Kinder.«
»Mehr als vier?«, frage ich schockiert.
»Ich glaube, Mum hätte mindestens sechs gewollt.«
»Manche Menschen sind einfach dazu geboren«, wirft Virginia ein.
Ich wollte auch immer vier Kinder, wenn ich mir früher ausgemalt habe, eines Tages Mutter zu sein. Aber Frank und ich haben nach dem zweiten aufgehört. In meinem Herzen ist Platz für weitere Kinder, in unserem Budget dagegen nicht unbedingt. Während Franks Vasektomie saß ich schluchzend im Wartezimmer. Er verstand das nicht. Ich glaube, es war diese Endgültigkeit, mit der ich mich von meinem Traum einer großen Familie verabschieden musste, die mir immer den Rücken stärkte und das Haus mit reichlich Leben füllte. Frank sagt, ich solle das nicht verklären und lieber an die viele Wäsche denken.
Breitere Verteilung hat allerdings etwas für sich. Kleine, effiziente Familien verleiten zu Anspruchsdenken, was Themen wie Besitz oder Privatsphäre angeht: Wie kannst du es wagen, einfach mein Zimmer zu betreten/dir meine Sachen zu borgen/reinzukommen, wenn ich gerade unter der Dusche stehe? Großfamilien sind Gemeinschaften, in denen man sich Zimmer teilt, manchmal sogar Betten, Unterwäsche und die Dusche, und in denen man sich am Computer abwechseln muss. Ich will gewiss nicht behaupten, dass ich dann eine weniger kontrollierende Mutter geworden wäre. Es könnte genauso gut sein, dass ich doppelt so viele Ängste ausgestanden hätte.
»Meine Mutter klammert sich offenbar mit aller Kraft ans Leben, damit sie mich so lange wie nur irgend möglich nerven kann«, sagt CJ.
»Warum verstehst du dich nicht mit ihr?«, fragt Virginia und buttert eine Scheibe Toast sorgfältig bis in die Ecken.
»Wie lange hast du Zeit?«
»Mir reicht die Kurzfassung.«
»Ihr Profil bei einer Partnervermittlung hätte so ausgesehen, und zwar ganz im Ernst: Jämmerliche, ewig leidende Katholikin, die sich nicht einmal traut, Auto zu fahren, sucht co-abhängigen Alkoholiker als Vater für ihre zwei ungewollten Töchter. PS: Ich kann die halbe Bibel zitieren und überdurchschnittlich gut putzen. «
»Warum hat sie sich nicht getraut, Auto zu fahren?«, fragt Summer neugierig.
»Ach, es tut mir ja leid, dass ihr Bruder bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, als sie noch klein war, aber für so etwas gibt es Psychotherapeuten, oder? Meine Schwester Gail und ich mussten überallhin zu Fuß gehen, als wären wir so arm, dass wir uns nicht mal ein Auto leisten konnten. Meine stärkste Kindheitserinnerung ist allgemeine Demütigung.«
»Laufen ist gesund«, bemerke ich.
»Gail hat sich mal an einer Glasscherbe die Hand aufgeschnitten, sogar die Sehnen waren durch. Meine Mutter konnte sie nicht ins Krankenhaus fahren. Gail wäre fast verblutet, während wir auf den Krankenwagen gewartet haben. Wenn eine von uns ein Kunstprojekt abgeben musste und es hat geregnet, kamen wir in der Schule mit einem nassen Klumpen an; die ganze Arbeit war ruiniert. Meine Mutter kannte die blöde Bibel von vorne bis hinten und hat das Haus geputzt, als sollte jeden Moment eine Herztransplantation auf unserem Küchenfußboden stattfinden. Warum? Weil Sauberkeit gleich nach Gottesfurcht
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