Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
nicht allzu persönlicher Multiple-Choice-Test Voraussetzung dafür sein, Kinder in die Welt setzen zu dürfen – nur, damit man schon mal die schlimmsten Psychopathen aussortieren könnte.
Helen und Virginia sehen sich an. Dieser Blick offenbart eine lange Geschichte, die ich nie ganz erfahren werde.
Helen antwortet. »Sagen wir einfach, dass Celia lieber einen Sohn wollte. In ihren Augen hat Virginia allein dadurch Mist gebaut, dass sie ein Mädchen geworden ist. Was glaubst du, wie sie auf den Namen Virginia gekommen ist? Wenn man ordentlich nuschelt, klingt es wie ›Vagina‹.«
»Das ist nicht dein Ernst«, sage ich entsetzt. Das erinnert mich an einen Jungen, mit dem ich in der Schule war. Welche vereitelten Hoffnungen mögen die Mutter eines Jungen namens Dick Cockburn umgetrieben haben?
»Ich hätte Jemima auch fast ›Virginia‹ genannt«, wirft Summer ein. »Weil sie vom Sternzeichen Jungfrau ist, haben wir an Virginia gedacht. Aber dann haben wir doch Jemima genommen, weil das irgendwie niedlicher klang, und niedlich ist sie wirklich. Jemima klingt ein bisschen wie Virginia – nur mit J und M statt V und G. Ich liebe diesen Namen. Für mich klingt er überhaupt nicht wie Vagina.«
Wir alle blinzeln. Summers Bewusstseinsstrom zu lauschen ist, als wäre man auf Drogen. Halluzinogenen. Oder als sei man versehentlich in eine Teletubbies -Folge hineingeraten. Es hat etwas Entspannendes, solange man nicht dagegen ankämpft.
»Das ist nur ein Witz in unserer Familie«, erklärt Virginia. »Eigentlich bin ich nach Virginia Woolf benannt, die Celia tatsächlich geliebt hat – immerhin braucht man einer toten Schriftstellerin keine echten Gefühle entgegenzubringen. Aber sie hatte Glück, achtzehn Monate nach mir kam Conrad auf die Welt. Conrad, der so perfekt und großartig ist in allem, was zählt, und vor allen Dingen ein Junge.« Sie lächelt eisern.
»Erzähl ihnen doch, wo der perfekte Conrad gerade ist, während seine Mutter im Sterben liegt«, schlägt Helen vor und verspeist den letzten Bissen von ihrem Omelett.
»Er ist geschäftlich in Jakarta. Wahnsinnig wichtige Angelegenheit. Der Glückliche hat das ganze Krebsdrama verpasst – aber so etwas ist auch echt lästig, wenn man versucht, Geschäfte zu machen.« Ihre Worte sind so scharf, dass ich den Meerrettich darin beinahe schmecken kann.
Unversehens mit jemandes emotionaler Vernachlässigung in Berührung zu kommen ist heikel, etwa so, als stolperte man über anderer Leute Seitensprung. Ich schlucke. Wo bin ich denn, wenn meine Eltern mich brauchen? Am anderen Ende der Welt. Meine Schwestern müssen sich um sie kümmern, wenn mein Vater ein künstliches Hüftgelenk braucht und meine Mutter einen Bandscheibenvorfall erleidet. Gut möglich, dass ich eine schreckliche Tochter bin.
»Bitte, kein Wort gegen Conrad, ja? Er gibt ein Vermögen dafür aus, ihr Blumen ins Krankenhaus zu schicken. Nur leider ist Celia allergisch gegen Pollen. Ich muss die Sträuße immer wegwerfen oder an andere Patienten verteilen. Ich kann Blumenarrangements nicht mehr sehen, vor allem Gestecke in kleinen grünen Schwämmchen. Was soll das mit diesen Schwämmchen?«
Die Dinger verärgern Virginia. Zu viele davon können einen aber auch wirklich in den Wahnsinn treiben.
»So halten die Blumen länger«, erklärt Summer. »Wir benutzen immer solche Gestecke, wenn wir Häuser präsentieren.«
»Ja, kann sein.«
»Tja, wir sind eben nicht alle perfekt«, sagt Helen. »Irgendwer muss nun mal das SSDF sein.«
»SSDF?«, fragt CJ.
»Das schwarze Schaf der Familie«, johlen Helen und Virginia wie aus einem Munde, und alle kichern.
»Schwarze Schafe sind was ganz Besonderes«, startet Summer einen Versuch. »In Jemimas Klasse ist ein kleines äthiopisches Mädchen. Sie ist eine Albino. Wir haben sie mal zu uns nach Hause eingeladen. Ich schwöre bei Gott, das arme Kind hatte noch nie eine Wii gesehen. Noch gar nie.«
Wie soll man auf ihre Weisheiten und Erkenntnisse eingehen?
»Wenn sie ein Albino ist, wäre sie dann nicht eher ein weißes Schaf?«, überlegt Helen.
Summer denkt nach und nickt. »Ja … also, ja …«
Virginia bricht in gackerndes Kichern aus, dicht gefolgt von Helen. CJ fällt ein, und selbst Ereka kann nicht anders. Summer will sich nicht ausgeschlossen fühlen und gluckst mit. Maeve bleibt ungerührt.
Unsere Witzelei ist aus ernstem Leid entstanden. Summers großzügige Einladung des Albino-Mädchens ist eine flüchtige Ablenkung vom
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