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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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eine Dame würde umwandeln können. Statt den 65. Zug zu machen, stoppte Fischer schließlich seine Uhr und reichte Spasski als Zeichen der Aufgabe die Hand. Fischer lächelte nicht. Spasski wiederum sah ihm beim Handschlag nicht in die Augen, sondern betrachtete weiter die Stellung. Anschließend unterschrieb Fischer sein Partieformular, machte eine hilflose Geste, als wolle er sagen, »was soll ich jetzt tun?«, und verließ die Bühne. Es ließ sich leicht erraten, wie er sich fühlte.
    Nun gibt es eine ganze Reihe von Titelkämpfen, in denen der Verlierer der Auftaktpartie schließlich das Duell gewann, aber zweifellos traf die Niederlage in der ersten Partie Fischer fast so schwer, als hätte er den ganzen Wettkampf verloren. Wie gerne hätte er sich – und der Öffentlichkeit – bewiesen, dass er überhaupt eine Partie gegen Spasski gewinnen konnte! Sechsmal waren die beiden bisher aufeinandergetroffen, viermal hatte Spasski gewonnen, zweimal hatten sie remis gespielt. In den folgenden Stunden quälte er sich mit Selbstzweifeln, doch dann fand seine Psyche einen Ausweg: Da Bobby fraglos der bessere Spieler war, musste etwas anderes an der Niederlage schuld gewesen sein. Zum Beispiel die störende Kamera.
    Am nächsten Morgen, Donnerstag, dem 13. Juli, verkündete die amerikanische Delegation, dass Fischer nur weiterspielen würde, wenn alle Kameras aus dem Saal verschwänden. Fischer beharrte – zu Recht – darauf, dass nur er beurteilen könne, was ihn störe. Allerdings weigerte er sich, die neuen Spielbedingungen zu inspizieren und zu sagen, ob ihm nun alles passte.
    Schmid erklärte, dass die zweite Partie um 17 Uhr beginnen würde. Sollte Fischer nicht bis 18 Uhr erscheinen, ginge die zweite Partie kampflos an Spasski. Um die Lage noch weiter zu komplizieren, ließen die Sowjets der Presse gegenüber durchblicken, dass Spasski vielleicht nach Moskau zurückkehren würde, falls Fischer zur zweiten Partie nicht erschien.
    Um 16.58 Uhr betrat Spasski die Bühne. Applaus. Um exakt 17 Uhr setzte Schmid Fischers Schachuhr in Gang, denn Bobby hatte Weiß. Derweil beknieten Lombardy und Funktionäre des amerikanischen Schachbunds Fischer vergebens, zum Turniersaal zu gehen. Draußen vor dem Hotel wartete ein Polizeiwagen mit laufendem Motor, um ihn schnell hinüberzubringen, wenn er sich umentschied. Um 17.30 Uhr – die Uhr tickte – stimmte Chester Fox’ Anwalt in Reykjavik dem Vorschlag zu, die Kameras für diese eine Partie zu entfernen und danach das Problem noch einmal zu besprechen. Als dieser Vorschlag Fischer unterbreitet wurde, verlangte der, dass seine Schachuhr auf null zurückgestellt werden müsse. Schmid weigerte sich jedoch und sagte, es gebe für alles eine Grenze. Fischer saß derweil in Unterwäsche im Hotelzimmer, die Tür verschlossen, das Telefon ausgesteckt. Ein Ebenbild totalen Starrsinns. Er war wild entschlossen: »Wenn ich etwas verlange und nicht bekomme, spiele ich nicht.«
    Wie gebannt starrte das Publikum auf die zwei leeren Stühle (Spasski hatte sich inzwischen in seine Garderobe zurückgezogen) und auf ein Schachbrett mit 32 Figuren in ihrer Ausgangsposition. Nur auf Fischers Schachuhr bewegte sich etwas: der Minutenzeiger und das hektisch drehende rote Zahnrädchen, das anzeigte, dass Fischers Zeit lief. Ein tristes Bild.
    Um genau 18 Uhr hielt Schmid die Uhr an, ging vor an den Bühnenrand und verkündete, dass die zweite Partie kampflos an Spasski ging. Das hatte es in der Geschichte der Schachweltmeisterschaft noch nie gegeben. »Sehr geehrte Damen und Herren, nach Regel fünf des Reglements hat Robert Fischer die Partie verloren. Er ist nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit erschienen.«
    Spasski bekam stehende Ovationen. Zu Schmid sagte er: »Schade!« Im Zuschauerraum riefen einige erbost: »Schickt [Fischer] zurück nach Amerika!«
    Fischer legte förmlichen Prostest gegen die Entscheidung ein. Doch die Wettkampfleitung schmetterte ihn ab; Fischer sei nicht zur Partie erschienen. Die Entscheidung fiel dem Komitee indes nicht leicht, schließlich wussten alle, dass Fischer sie nicht einfach hinnehmen würde. Und das tat er auch nicht. Seine spontane Reaktion bestand darin, seinen Heimflug zu buchen. Von der sofortigen Abreise konnte Lombardy ihn abbringen, doch es bestand wenig Hoffnung, dass Fischer weiterspielen würde, wenn die Entscheidung aufrechterhalten blieb. Schmid selbst äußerste sich besorgt über Fischers Zukunft, wenn er den Kampf abbrach: »Was

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