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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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ersten Entwurf auf seinen Anteil am Preisgeld verzichtet und erklärt habe, aus reiner Liebe zum Schach anzutreten. Nun kann man sich Bobby vorstellen, wie er spontan erklärt: »Ich werde der Welt zeigen, dass Schach mir noch wichtiger ist als den Russen!« Doch seine ärmliche Kindheit hatte ihn Pragmatismus gelehrt. In erster Linie wollte er den Streit beilegen, um sich am Brett beweisen zu können. Aber das Preisgeld war ihm eben auch wichtig.
    Schließlich entstand eine zweite Version des Briefes, die dann an Spasski ging. Frühmorgens am 6. Juli fuhr Fischer zum Saga Hotel und begleitete den Hotelpagen bis vor Spasskis Zimmer, um sich zu vergewissern, dass die Entschuldigung unter der Tür durchgeschoben worden war. Sie lautete:
    Reykjavik, 6. Juli 1972
    Lieber Boris,
    ich möchte mich zutiefst für mein respektloses Verhalten entschuldigen. Es tut mir sehr leid, dass ich der Eröffnungszeremonie ferngeblieben bin. Ich hatte mich einfach von meinen läppischen Geldstreitigkeiten mit den isländischen Schachfunktionären hinreißen lassen. Ich habe Sie und Ihr Land, die Sowjetunion, beleidigt, in dem Schach großen Stellenwert hat. Ich möchte mich auch bei dem FIDE-Präsidenten, Dr. Max Euwe, entschuldigen, außerdem bei den Organisatoren des Wettkampfs in Island, den Tausenden Schachfans in aller Welt und ganz besonders den Millionen Fans und zahlreichen Freunden, die ich in den Vereinigten Staaten habe.
    Nachdem ich nicht zur ersten Partie erschienen war, erklärte Dr. Euwe, sie würde verschoben. Zu jenem Zeitpunkt protestierten Sie nicht. Nun erfahre ich, dass der russische Schachbund verlangt, die erste Partie zu Ihren Gunsten zu werten. Diesen Sinneswandel kann ich nicht nachvollziehen.
    Würde der Forderung stattgegeben, wäre ich gewaltig im Nachteil. Ich starte ohnehin schon mit dem Handicap, dass Sie aus 24 Begegnungen nur 12 Punkte brauchen, um den Titel zu verteidigen, ich aber 12, um ihn zu erringen. Würde der Forderung stattgegeben, bräuchten Sie nur elf Punkte aus 23 Partien, während ich noch immer 12 Punkte bräuchte, aus nur 23 Partien. In anderen Worten: Ich müsste drei! Partien gewinnen, ohne eine zu verlieren, um in eine Position zu kommen, wie Sie sie am Anfang des Wettkampfes schon hätten. Und ich glaube nicht, dass der Weltmeister sich einen solchen Vorsprung in dem Wettkampf gegen mich wünscht.
    Ich weiß, dass Sie ein Sportsmann und ein Gentleman sind, und freue mich auf einige spannende Partien mit Ihnen.
    Hochachtungsvoll
    Bobby Fischer
    Ein Hindernis blieb aber noch: die Sowjetunion selbst. Ein sowjetischer Minister, Sergei Pawlow, der Vorsitzende des staatlichen Sportausschusses, hatte Spasski per Telegramm unmissverständlich aufgefordert, nach Moskau zurückzukehren. Pawlow schrieb, Fischers »Trotzanfälle« stellten eine Beleidigung des Weltmeisters dar, der nach Gesetz und Moral jedes Recht habe, eine Begegnung mit Fischer zu verweigern.
    Normalerweise widersetzte sich in der UdSSR niemand solchen »Vorschlägen«, doch Spasski wagte es. So höflich und diplomatisch wie möglich antwortete er Pawlow: Auch wenn Fischer sich unmöglich benommen habe, fühle er, Spasski, sich als Sportsmann verpflichtet, den Wettkampf auszutragen. Dieser mutige Akt erforderte von Spasski viel Fingerspitzengefühl und Schneid.
    Fischer erschien auch zur Auslosung der Farben 20 Minuten zu spät und begegnete hinter der Bühne Spasski. Nachdem sie sich die Hände geschüttelt hatten, prüfte Spasski im Scherz Fischers Bizeps, als wären sie zwei Boxer beim »Wiegen«. Danach zogen sie sich einige Minuten zurück, um den Turnierablauf zu besprechen. Spasski bat, den Beginn des Wettkampfs ein wenig nach hinten zu verlegen. Fischer erklärte sich einverstanden, unter der Bedingung, dass Spasski die Forderung begrub, die erste Partie zugesprochen zu bekommen. Die zwei einigten sich und betraten die Bühne, wo ihnen Journalisten und Fans applaudierten, die geduldig gewartet hatten. Fischer erspähte den Schachtisch, schlenderte zur Bühnenmitte und hob die weiße Dame hoch, um ihr Gewicht zu testen. Dann hob er, eine Hand weiterhin in der Tasche, alle anderen weißen Figuren hoch, setzte sich und streckte die Füße unter dem Mahagoni-Tisch aus. Spasski setzte sich ebenfalls.
    Der Vertreter der FIDE, Harry Golombek, stellte den Herausforderer und den Champion, ihre jeweiligen Sekundanten und Helfer vor. Danach kündigte Golombek, ein Internationaler Meister aus Großbritannien, an, dass Geller vor

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