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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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»Angst«: »Bobby fürchtet sich vor dem Unbekannten, vor allem, was sich seiner Kontrolle entzieht. Er versucht, im Leben wie im Schach, dem Zufall keine Chance zu lassen.« Was offenbar alle übersahen: Am Brett fürchtete Bobby niemanden. Vor Partien zeigte er Nervosität, ebenso wie Schauspieler vor wichtigen Aufführungen Lampenfieber haben. Aber diese Anspannung darf man nicht mit Angst verwechseln. Die Anspannung trieb Bobby an, sich bestens vorzubereiten, sie ließ ihn aufs Höchste konzentriert spielen, sie machte sein Spiel also besser. Gerade Bobbys unerschütterliches Selbstbewusstsein machte ja einen Teil seiner Größe aus.
    Ein Psychoanalytiker namens M. Barrie Richmond schrieb eine Abhandlung mit dem Titel »Die Bedeutung von Bobby Fischers Entscheidung«. Darin widersprach er Byrne und verlangte, man solle Fischer als großen Künstler betrachten, als ein Phänomen wie Picasso. Richmond meinte, Bobby habe auf der Regeländerung bestanden, weil er sich als Weltmeister für ein faires Regelwerk verantwortlich fühlte. Angst, den Titel zu verlieren, habe bei seinem Handeln keine Rolle gespielt.
    Am 3. April 1975 wurde Anatoli Karpow vom FIDE-Präsidenten Dr. Max Euwe zum 12. Schachweltmeister gekürt. Damit war Bobby der erste Weltmeister, der seinen Titel kampflos abgab. Fünf Millionen Dollar wären für den Titelkampf ausgelobt gewesen, der Gewinner hätte 3,5 Millionen bekommen, der Verlierer immerhin 1,5 Millionen. Noch nie in der Geschichte des Sports hatte jemand ein derart lukratives Angebot ausgeschlagen, und das wegen eines Streits um den Austragungsmodus.
    Karpow grummelte: »Keine Ahnung, warum Fischer sich weigerte, den Titel zu verteidigen.« Karpow war zwar Weltmeister, aber Bobbys Schatten verhinderte, dass seine Krone hell leuchtete. Außerdem waren ihm mindestens eineinhalb Millionen Dollar Preisgeld durch die Lappen gegangen. Er schnaubte: »Das hat es in der Schachgeschichte noch nie gegeben.«
    Bobby beschloss, alles hinter sich zu lassen – die Streitereien um die Weltmeisterschaft, die ihn ständig belagernden Reporter und Fotografen – und auf zweimonatige Kreuzfahrt um die Welt zu gehen. Seine bisherigen Schiffspassagen – nach Europa und zurück, von den Philippinen über Hongkong in die Vereinigten Staaten – waren höchst entspannend gewesen: kein Telefon, keine Post, keine Belästigungen, dafür rund um die Uhr hervorragende Küche. Himmlisch. Er hatte sich einen Bart stehen lassen, sodass ihn kaum jemand erkannte. Wie früher fand er auch diesmal unterwegs Frieden und Anonymität. Gelegentlich schwadronierte er noch über Rasse und Religion, und einmal schrieb er Ethel Collins, dass ihm Indonesien gefalle, weil die dort lebenden Moslems ihre »kulturelle Reinheit« erhalten hätten. In Neu-Delhi kaufte er für 15 Dollar ein herrlich gearbeitetes Reiseschach aus duftendem Sandelholz – und schämte sich, so wenig dafür bezahlt zu haben. Ihm war klar, dass der Künstler für seine Anstrengungen wahrscheinlich nur einen Bruchteil des Endpreises erhielt.

    Mit seiner Kellerwohnung in der Mockingbird Lane in South Pasadena war Bobby zufrieden. Hier, einem kleinen, ruhigen Ort fern von den Augen der Welt, lebte er mehrere Jahre lang. Das Haus gehörte Freunden aus der Weltweiten Kirche Gottes, Arthur und Claudia Mokarow. Claudia wurde zu einer Art Puffer zwischen Bobby und der Welt. Sie beantwortete Anfragen, verscheuchte Reporter, diente als Haushofmeister und Zerberus. Sie ging sogar so weit, Angebote abzulehnen, ohne sie Bobby überhaupt vorzulegen.
    Noch immer wurde Bobby von allen Seiten bedrängt, wieder zu spielen. Selbst der Bürgermeister New Yorks, Ed Koch, bat ihn brieflich, zum Schachbrett zurückzukehren. »Ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, Ihr Genie für das schwierigste aller Spiele machen mich und all diejenigen stolz, auf die der Abglanz Ihrer bemerkenswerten Taten fällt.«
    Oft belagerten Fotografen oder Reporter das Haus in der Hoffnung auf Fotos oder Interviews. Bobby sagte einmal, er fürchte nichts – außer Reporter. Er brauchte den Einfallsreichtum eines Houdini und die Gewandtheit eines Akrobaten, um den Journalisten auszuweichen, wenn er das Haus verließ oder zurückkam. Manchmal machte ihn die Belagerung regelrecht panisch.
    Wollte ein Freund ihn erreichen, rief er zuerst bei Claudia an. Die rannte dann hinunter und informierte Bobby, der dann zurückrief – oder auch nicht. Anrufe, die er nicht selbst angebahnt hatte, nahm Bobby

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