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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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anständig gekleidet zu sein. Er hörte auf, regelmäßig Sport zu treiben, und bekam eine Wampe.
    Er ließ sich auch sämtliche Füllungen aus den Zähnen entfernen, was die Presse als Beweis dafür nahm, dass er jetzt völlig durchdrehte. Jemand schrieb, Bobby habe sich die Füllungen entfernen lassen, weil er glaubte, sie empfingen Störsignale der Russen. Seither taucht dieser Unfug in praktisch jeder Veröffentlichung über Bobby auf. Dabei war das Zitat entweder glatt erfunden oder falsch wiedergegeben. Möglicherweise hat sich Bobby auch einen Spaß mit seinem Gesprächspartner erlaubt. Denn in Wirklichkeit ließ er sich die Füllungen aus einem, wie er glaubte, guten medizinischen Grund herausnehmen. Er ermunterte Ethel Collins dazu, es ebenfalls machen zu lassen, da sie schon seit Jahren mit Zahnfleischproblemen kämpfte.
    Bobby glaubte, dass künstliche Zähne und Metallfüllungen (insbesondere aus Silber) das Zahlfleisch reizten. Außerdem hielt er das in Amalgamfüllungen verwendete Quecksilber – völlig zu Recht – für giftig.
    Folglich ließ sich Bobby alle Füllungen herausmachen, was nicht lange dauerte. Zugegeben, schrieb er Ethel, ohne Füllungen sei das Kauen »unangenehm«, doch das sei immer noch besser als die Alternative, alle Zähne zu verlieren. Und genau das wäre seiner Ansicht nach passiert, wenn die Füllungen dringeblieben wären.
    Jahre später verriet er seinem besten Freund in Island, Gardar Sverrisson, dass die »Störsignal«-Version seiner Füllungsgeschichte Humbug war. In Wahrheit habe er sich die Füllungen herausnehmen lassen, weil er glaubte, die Füllungen verursachten mehr Probleme, als sie behoben.
    Ohne ihre Füllungen verkamen Bobbys Zähne allerdings rasch. Stücke brachen heraus, Karies hatte freie Bahn. Ergebnis: Mit der Zeit fielen ihm mehrere Zähne aus. Da er von Zahnärzten nichts hielt und auf Kronen, Implantate und Zahnersatz verzichtete – leisten konnte er sie sich ohnehin nicht mehr –, sahen auch seine Zähne bald aus wie die eines Obdachlosen.
    Bobby stand mit den Geschwistern Collins zwar weiter in freundlichem Kontakt (auch wenn er ihnen antisemitische Literatur schickte), doch als Jack Collins ihn bat, eine Einleitung für sein Buch My Seven Chess Prodigies (»Meine sieben Schach-Ausnahmetalente«) zu schreiben, antwortete Bobby nicht einmal. Jack war zutiefst verletzt. Er hatte Bobby erklärt, schon ein kurzes Vorwort würde ihm, Jack, einen beträchtlichen Vorschuss vom Verlag sichern. Collins brauchte das Geld; er litt zwar keine Not, doch der Haushalt lebte von Ethels (Halbtags-)Verdienst als Krankenschwester. Doch obwohl Jack seine Bitte sehr herzlich formuliert hatte, stellte Bobby sich tot. Schließlich schrieb Lombardy das Vorwort.
    Wenn ihn die Einsamkeit übermannte, fuhr Bobby oft nach Palo Alto hinauf, zu seiner Schwester und ihrem Mann. Russell Targ war Wissenschaftler an der Stanford University und ein Experte auf dem Gebiet außersinnlicher Wahrnehmung. Joan war Jüdin, ebenso wie Russell und ihre drei Kinder. Irgendwann hatte sie daher genug von Bobbys antisemitischen Tiraden und warf ihn hinaus.
    In Joans Nähe wohnte ein Freund Bobbys, der Großmeister Peter ­Biyiasas, mit seiner Frau Ruth. Bei ihnen schlüpfte Bobby oft viele Wochen lang unter. Fischer und Biyiasas spielten insgesamt 17 Blitzpartien gegeneinander, mit je fünf Minuten Bedenkzeit. Fischer gewann alle; Biyiasas erzählte, er habe es kein einziges Mal in ein Endspiel geschafft, immer habe Bobby ihn schon vorher abgefertigt.
    Dreimal fuhr Bobby nach Berkeley an der Bucht von San Francisco, um Walter Browne zu besuchen, einen australisch-amerikanischen Großmeister. Sie gingen einige Partien aus Brownes jüngsten Turnieren durch, spielten aber nicht gegeneinander. Einmal unternahmen sie einen langen Spaziergang und erfreuten sich an den spektakulären Blicken, die sich bei Sonnenuntergang über die Bucht auf die Stadt boten. Während des Spaziergangs schwadronierte Bobby unentwegt von der jüdischen Weltverschwörung und machte antisemitische Kommentare, doch beim Abendessen in der Familie hielt er sich zurück. Bei seinem dritten Besuch wollte Bobby eigentlich über Nacht bleiben. Als er nach dem Abendessen darum bat, das Telefon für ein Ferngespräch benutzen zu dürfen, hing er den restlichen Abend an der Strippe, »vielleicht vier Stunden lang«, wie Browne sich später erinnerte. Schließlich schritt Browne ein: »Weißt du, Bobby, du musst wirklich

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