Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
ich bin Bobby Fischer.« Diesen Refrain wiederholte er mehrfach: » Ich bin Bobby Fischer! Ich bin Bobby Fischer! Ich bin Bobby Fischer!«
Gudmundsson versuchte Bobby sein Projekt zu erklären. Der Film habe das Potenzial, ein Meisterwerk zu werden: »Das wird ein postmodernistischer Dokumentarfilm mit Spielfilmszenen.«
»Ist mir wurst!«, brüllte Bobby. »Sag, worum geht es in dem Film?«
Gudmundsson fasste den Inhalt im Stil einer Presseerklärung zusammen:
Das ist ein Film über die Atombombe.
Das ist ein Film über einen Expolizisten.
Das ist ein Film über unbedingte Liebe.
Das ist ein Film über einen Schachweltmeister.
Das ist ein Film über unbedingten Hass.
Das ist ein Film über eine Ikone.
Das ist ein Film über Sieg.
Das ist ein Film über den Krieg gegen den Terror.
Das ist ein Film über einen internationalen Flüchtling.
Das ist ein Film über Irrsinn.
Das ist ein Film über Rock ’n’ Roll.
Je weiter er las, desto finsterer wurde Bobbys Miene. Dieses blödsinnige Projekt musste gestoppt werden! Hilfe suchend wandte er sich ans RJF-Komitee, das tatsächlich auch einen öffentlichen Protestbrief aufsetzte. Bevor der Brief an die Presse, das isländische Fernsehen, die Produzenten und Verleiher des Films herausging, änderte Bobby jedoch einige Formulierungen. Wenig überraschend wurde der Text dadurch deutlich harscher, undiplomatischer:
Mr. Fischer möchte die Adressaten darauf hinweisen, dass Manuskript und Struktur des oben erwähnten »Dokumentarfilms«, in dem er die Hauptrolle spielt, so keineswegs abgesprochen waren. Das Filmmaterial ist daher auf betrügerische Weise erlangt worden.
Das Hauptthema des Films mit dem Arbeitstitel »My Friend Bobby« steht seiner Ansicht nach in scharfem Kontrast zur ursprünglichen Konzeption aus dem Jahr 2005, eine Reportage zu drehen über die von den USA organisierte Verschleppung und Verhaftung von Mr. Fischer in Japan, seinen Kampf gegen die Auslieferung und seine Freilassung aus dem Gefängnis.
Daher spricht er sich strikt gegen eine finanzielle Förderung des Films oder seine Ausstrahlung aus.
Mit Saemi redete Bobby bereits nicht mehr; Anrufe von Gudmundsson nahm er nicht mehr an. Er nannte seinen Ex-Leibwächter einen »Judas«, weil er versucht habe, »seinen« Film zu kapern. Nach Bobbys Auffassung hätte der Film eine Abrechnung werden sollen, keine kuschelige Biografie – und ganz bestimmt kein Rührstück über einen treuen Leibwächter. Bobby zog die Mitglieder des RJF-Komitees auf seine Seite; fast alle brachen danach den Kontakt zu Saemi ab. Der Streit ums Geld erwies sich übrigens als müßig: Der Film floppte finanziell, an den Kinokassen spielte er gerade mal 32 000 Euro ein, außerdem kam noch etwas Geld über DVD-Verkäufe und Fernsehlizenzen herein.
Wenig später erregte ein anderer Bobbys königliches Missfallen: Guðmundur Thorarinsson. Auf einer Party in Thorarinssons Haus klagte Bobby aus heiterem Himmel: »Ich habe 1972 nie meinen vollen Anteil an den Eintrittsgeldern bekommen. Ich will die Rechnungsbücher sehen. Wo sind die Bücher?«
Der schwer gekränkte Thorarinsson erklärte Bobby geduldig, dass er seinerzeit seinen vollen Anteil an den Ticketverkäufen erhalten habe. Zum Beweis wolle er ihm gern die Rechnungsbücher zeigen, die beim isländischen Schachbund verblieben waren. Allerdings, fürchtete Thorarinsson, seien die Bücher nach über 30 Jahren vermutlich längst entsorgt. Tatsächlich blieben die Bücher unauffindbar, und Bobby redete nie wieder mit Thorarinsson – dem Mann, der als Mitglied des RJF-Komitees seine Rettung organisiert und der als Präsident des isländischen Schachbunds 1972 maßgeblich dazu beigetragen hatte, den Titelkampf nach Reykjavik zu holen.
Nach der gleichen krausen Logik, die ihn dazu brachte, ganze Völker zu verdammen, wie etwa die Juden, wandte sich Bobby nun von allen Isländern ab, egal wie wohlmeinend sie waren. Sein absurder Syllogismus ging ungefähr so:
Saemi hat mich hintergangen und betrogen.
Saemi ist Isländer.
Folglich sind alle Isländer Verräter und Betrüger.
Nach dem Saemi-Vorfall begann Bobby eine Litanei von Ausfällen, Verdächtigungen und an den Haaren herbeigezogenen Beleidigungen gegen das RJF-Komitee. Kaum einer entging seinem Zorn, selbst die Treuesten der Treuen bekamen ihr Fett ab: Helgi Olafsson zum Beispiel, weil er Bobbys antisemitische Äußerungen nicht duldete und zu viele Fragen über »altes Schach« stellte (»Er schreibt
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