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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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Mitglieder des RJF-Komitees hatten ihn aus japanischer Haft befreit, ihn vor einer drohenden zehnjährigen Haftstrafe bewahrt und auch nach seiner Ankunft alles getan, damit er sich wohlfühlte: Sie besorgten ihm eine Wohnung, schützten ihn vor windigen Geschäftsleuten und Journalisten, berieten ihn in Sachen Finanzen, fuhren ihn zu Thermalquellen, luden ihn zu Abendessen und Festen ein, gingen mit ihm fischen oder auf Ausflüge. Sie taten alles, damit er sich zu Hause fühlte.
    Tatsächlich scharte sich um Bobby so etwas wie eine Sekte, die ihn hofierte wie einen absolutistischen König. Alle taten ihr Bestes, um dem Monarchen alle Wünsche zu erfüllen. Doch wenn man es ihm nicht hundertprozentig recht machte, reagierte der König mit einem unwirschen »Rübe ab!«. Schon in seinen Teenagerjahren hatte sich Bobby so verhalten: Wenn einer seiner jungen Apostel ihn enttäuschte, brach er gnadenlos den Kontakt ab. Nun wurde Bobby mit Freundlichkeit und Großherzigkeit nur so überschüttet, und trotzdem krittelte er an allen herum und blaffte seine treuesten Helfer an.
    Als Erstes überwarf er sich mit seinem ergebenen Leibwächter Saemi Palsson. Monatelang hatte Palsson für Bobby 1972 in Reykjavik und danach in den USA den Bodyguard gemacht und dafür nie Geld gesehen (»keinen Cent«, beschwerte er sich; anderen Quellen zufolge gab Bobby ihm vor seiner Rückkehr nach Island ein Trinkgeld von 300 Dollar). Palsson war auch Bobbys erster Verbündeter in Island gewesen, er war auf eigene Kosten nach Japan geflogen und Bobby auch nach dessen Einbürgerung eine große Hilfe gewesen. Palsson konnte also mit gutem Grund Dankbarkeit von Bobby erwarten. Doch der Grundstein für ihr Zerwürfnis wurde noch vor Bobbys Abreise aus Japan gelegt: Der isländische Dokumentarfilmer Fridrik Gudmundsson fragte bei Palsson an, ob er bei einer Doku über Bobbys Verhaftung, Kampf um die Freilassung und Flucht in die Freiheit mitzumachen bereit sei. Sollte das Projekt einen Gewinn abwerfen – bei einem Dokumentarfilm hochgradig unwahrscheinlich –, könnte für Palsson und Bobby ein wenig Geld rausspringen.
    Bobby erklärte sich anfangs selbst zur Mitarbeit bereit, allerdings unter der ausdrücklichen Bedingung, dass der Film das von den USA begangene Unrecht thematisieren sollte, nicht Bobbys Privat- oder Schachleben. Er stellte sich den Film als Abrechnung mit den USA vor.
    Die Aufnahmen begannen sofort nach Bobbys Landung in Kopenhagen, im Sportwagen, der ihn, Miyoko und Saemi nach Schweden brachte. Der mit verschiedenen Techniken des Cinema verité gemachte Film kostete insgesamt 30 Millionen Kronen, etwa 400 000 Euro. Das fertige Werk war zwar schlampig geschnitten und thematisch konfus, doch das Bildmaterial von Bobby war hochinteressant, mehr oder weniger die ersten Aufnahmen seit dem Match gegen Spasski 1992. Mit klaren Augen und festem Blick dröhnte er: »Ich hasse Amerika, es ist ein illegitimer Staat. Das Land wurde den indianischen Ureinwohnern geraubt und von schwarzen Sklaven aufgebaut. Die USA haben kein Existenzrecht.« Seltsam ausgelassen, als wäre ihm gerade erst klar geworden, dass er frei war, hetzte er gegen Juden, die japanische Regierung und die Vereinigten Staaten. Gemeinsam mit Saemi sang er »That’s Amore« und andere wohlvertraute Lieder, wie Freunde – was sie damals auch waren – auf einer Landpartie. Gelegentlich wurde sogar gelacht. Miyoko saß still da, sah Bobby liebevoll an und lächelte unergründlich.
    In den folgenden Monaten drehte Gudmundsson in Reykjavik und versuchte, Bobby für weitere Aufnahmen zu gewinnen. »Wie soll der Titel lauten?«, erkundigte sich Bobby dabei. » My Friend Bobby « (Mein Freund Bobby), lautete die Antwort, worauf Bobby das ganze Projekt zu stoppen drohte. »Dieser Film soll von meiner Verschleppung handeln, nicht von Saemi«, beschwerte er sich. (Der Titel wurde schließlich in Me and Bobby Fischer [Ich und Bobby Fischer] geändert.) Doch dann gab es Streit ums Geld. Bobby ärgerte sich, dass er keinen Vorschuss bekommen hatte. Gudmundsson bot ihm 15 Prozent des Gewinns, ebenso viel wie Saemi, der Produzent Steinthor Birgisson und Gudmundsson selbst bekommen würden (der Rest ging an die Koproduzenten). Da wurde Fischer fuchsteufelswild. Warum bekam Saemi überhaupt etwas? Außerdem drehe sich der Film um Bobby, deshalb müsse er mehr bekommen als die anderen. »Ich verdiene mindestens 30 Prozent«, forderte er nachdrücklich. »Mehr als sonst jemand. Denn

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