Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
verstorbenen Freund auf jeden Fall das Recht gebührte, beerdigt zu werden, wo, wann und wie er es sich gewünscht hatte.
Um alles zu organisieren, brauchte Sverrisson mehrere Tage. Das Grab musste ausgehoben werden – in der gefrorenen Vulkanerde keine einfache Aufgabe –, ein Priester gefunden und Papierkram erledigt werden. Doch die Beerdigung konnte ohnehin erst stattfinden, nachdem Miyoko aus Japan eingetroffen war. Vier Tage nach seinem Tod brachte ein Leichenwagen Bobbys sterbliche Hülle dann nach Laugardaelir. Der Begräbniskorso verlief ganz nach Bobbys Wünschen, völlig unpompös. Als der Leichenwagen am Friedhof ankam, warteten die beißenden Winde des langen isländischen Winters schon auf den Sarg mit dem größten Schachspieler der Welt. Den Morgen zuvor hatte es geschneit, doch jetzt am Abend regnete es. Miyoko sowie Sverrisson mit Familie waren schon am Vorabend angereist, um sich zu vergewissern, dass alle Vorbereitungen getroffen waren.
Die schlichte Zeremonie wurde von Jacob Rolland geleitet, einem klein gewachsenen katholischen Priester französischer Herkunft. Rolland hatte bereits Halldór Laxness unter die Erde gebracht, den einzigen isländischen Nobelpreisträger (für Literatur). In seinen Segensworten verglich er Bobbys Begräbnis mit Mozarts: »Bei beiden standen nur ganz wenige Leute am Grab, und wie [Mozart] verfügte [Bobby] über eine Intelligenz, die ihn Dinge erkennen ließ, die andere nicht ansatzweise verstanden.« Danach gab Rolland ein Zeichen, und der Sarg versank im Grab. In der kleinen Kirche waren zuvor noch Hymnen gesungen worden, doch am Grab ertönte kein Trauerlied, wehte kein Weihrauch. Selbst der gewaltige Sternenhimmel, den man durch die klare Luft Islands oft sah, versteckte sich hinter Regenwolken. Die ganze Zeremonie dauerte 45 Minuten, dann gingen die frierenden Trauergäste. Auf den Grabhügel kam ein weißes Kreuz. Auf dessen Schild stand:
Robert James Fischer
F. 9 mars 1943
D. 17 januar 2008
Hvil i frioi
Die letzte Zeile bedeutete »Ruhe in Frieden« – doch daraus sollte nichts werden.
Schon wenige Wochen später kamen die ersten Busse aus Reykjavik – manchmal zwei bis drei am Tag – voll gaffender Neugieriger, denen Bobby zu Lebzeiten so verzweifelt zu entkommen versucht hatte. Die Grabstätte, die nun von einem 60 Zentimeter hohen schlichten Grabstein geziert wurde, war zu einer Touristenattraktion geworden.
Zum Zeitpunkt seines Todes hatte Bobby von den 3,5 Millionen Dollar Preisgeld des Revanchekampfs 1992 noch gut zwei Millionen Dollar übrig. Doch Fischer, der im Leben und am Brett stets ein Kontrollfreak gewesen war, hinterließ kein Testament. Vielleicht unterschätzte er ja seine Krankheit, bis es zu spät war. Oder vielleicht amüsierte ihn der Gedanke, wie sich seine Erben um das Geld streiten würden.
Vier Menschen erhoben Ansprüche: Miyoko Watai, Bobbys Lebenspartnerin und – ihrer Darstellung nach – Ehefrau; Nicholas und Alexander Targ, Bobbys Neffen (die zwei Söhne von Bobbys verstorbener Schwester Joan); und Jinky Young, möglicherweise Bobbys Tochter. Last, but not least erhob auch die amerikanische Regierung ihre Ansprüche: Bevor irgendjemand hier etwas erbte, müssten noch über 20 Jahre ausstehender Steuern nachgezahlt werden. Wer das Erbe nun bekommen sollte, mussten die Gerichte entscheiden.
Nach isländischem Recht geht das gesamte Erbe an die Witwe, wenn der Erblasser keine Kinder hinterlässt. Hat der Verstorbene Kinder, bekommt die Witwe nur ein Drittel. Allerdings zweifelte das Gericht an, dass Miyoko tatsächlich mit Bobby verheiratet war, da sie nur eine Kopie ihrer japanischen Heiratsurkunde vorlegen konnte.
Der Anspruch der Gebrüder Targ indes war unbestritten: Sie waren Bobbys Neffen. Die beiden waren längst erwachsene Männer und lebten – der eine als Arzt, der andere als Anwalt – in Kalifornien. Ihnen war klar, dass sie nur erben konnten, wenn »engere« Verwandte als rechtmäßige Erben ausschieden. Deswegen setzten sie alles daran, die Legitimität der anderen Ansprüche anzufechten.
Zum Beispiel den von Jinky, die zum Zeitpunkt von Bobbys Tod acht Jahre alt war. Bobby hatte das Mädchen sein Leben lang finanziell unterstützt. Während seiner drei Jahre in Island kamen Mutter und Kind einmal einen Monat lang auf Besuch, wohnten aber in einem eigenen Apartment. Während dieses Besuchs sei Fischer liebevoll mit dem Kind umgegangen, berichteten isländische Freunde, er habe mit Jinky
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