Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
gespielt und ihr Geschenke gemacht.
Eineinhalb Jahre nach Bobbys Tod kamen Marilyn und Jinky erneut nach Island, diesmal, um offiziell Anspruch auf den Nachlass zu erheben. Auf Vermittlung Eugenio Torres fand sich auch ein isländischer Anwalt – Thordur Bogason –, der im Auftrag des Kindes einen Gentest zur Feststellung von Bobbys Vaterschaft beantragte. Das Genmaterial von Jinky ließ sich leicht besorgen: Ärzte nahmen ihr ein wenig Blut ab. Doch es war entschieden schwieriger, an Bobbys DNS zu kommen. Das Nationalkrankenhaus, in dem Bobby an Nierenversagen gestorben war, hatte keine Blutprobe von ihm behalten. Seine Sachen befanden sich zwar noch in der Reykjaviker Wohnung, doch wer wollte beweisen, dass ein aus einer Bürste entnommenes Haar auch tatsächlich von Bobby stammte? Es gab nur eine gerichtsfeste Methode: Aus Bobbys Leichnam eine DNS-Probe zu entnehmen und die Frage damit ein für alle Mal zu klären.
Doch durfte der Leichnam überhaupt exhumiert werden? Darum stritten die Parteien bis zum Obersten Gerichtshof des Landes. Der entschied schließlich: Jinky hat das Recht zu erfahren, ob Bobby ihr Vater war.
Am 5. Juli 2010 um drei Uhr morgens öffneten Experten der Friedhofsverwaltung Reykjavik Bobby Fischers Grab. Man hatte sich für diese ungewöhnlich frühe Stunde entschieden, um Gaffer zu vermeiden. Die Erde über dem Sargdeckel wurde abgetragen, danach wurde ein Graben um den Sarg gezogen, damit mehrere Leute um ihn herum stehen konnten. Die Gruppe um das Grab wirkte fast wie eine Trauergemeinde: der Pastor der Kirche, Kristinn A. Fridfinnsson; einige Kirchenältere; Forensikexperten; Regierungsvertreter; die Anwälte aller Parteien im Erbschaftskrieg; Ólafur Kjartansson, der Polizeichef von Selfoss, und der Leiter der Aktion, Dr. Oskar Reykdalsson. Sie alle waren gekommen, um sicherzustellen, dass die Exhumierung respektvoll und professionell ablief und das entnommene Genmaterial tatsächlich von Bobby stammte.
Um vier Uhr morgens wurde gegen neugierige Blicke ein Zelt über dem Grab errichtet. Dann wurde der Sarg geöffnet und die Genprobe entnommen. Eine sanfte Brise umwehte den wunderbaren Sommermorgen.
In vielen Ländern saß die Presse der Falschmeldung auf, dass der Sarg gar nicht freigelegt worden sei; man habe von oben durch das Erdreich und den Sargdeckel hindurch bis in Bobbys Körper gebohrt. Polizeichef Kjartansson korrigierte diese Darstellung am folgenden Tag. Man habe keinen Bohrer eingesetzt, sondern die Probe direkt aus Bobbys Körper entnommen.
Normalerweise nimmt man bei einer Exhumierung mehrere DNS-Proben, nur für den Fall, dass sich eine als ungeeignet erweist. Forensiker empfehlen, einen Fingernagel, einen Zahn, eine Gewebeprobe und ein Stück des Oberschenkelknochens zu entnehmen. In Bobbys Fall entnahm man eine Probe vom linken kleinen Zeh sowie sieben Gewebeproben – genug für ein eindeutiges Testergebnis. Danach wurde der Sarg wieder verschlossen und mit Lavaerde bedeckt. Das Rasenstück, das vor der Exhumierung abgenommen worden war, kam wieder aufs Grab. Dann wurden die Proben verpackt und zur Analyse an ein deutsches Forensiklabor geschickt. (Das isländische Labor für Gentests blieb außen vor, um Mauscheleien auszuschließen.)
Die Vorstellung, dass der eigene Leichnam in seiner Totenruhe gestört wird, gefällt wohl niemandem – der jüdische und der muslimische Glaube verbieten Exhumierungen sogar ausdrücklich und beinahe ausnahmslos. Auch Bobby, der sein Leben lang seine Privatsphäre manisch verteidigt hatte, hätte diesen letzten Übergriff auf seine Privatsphäre sicher als die ultimative Schändung aufgefasst. Selbst als Toten ließ man ihn nicht in Frieden ruhen!
Sechs Wochen später gab das Bezirksgericht Reykjavik das Ergebnis des Gentests bekannt: Die DNS-Proben stimmen nicht überein, Bobby Fischer war nicht Jinkys Vater.
Jinky schien also aus dem Rennen, blieben nur noch Miyoko Watai, Bobbys Neffen und das US-Finanzamt.
Doch Jinky wollte sich nicht so leicht geschlagen geben. Samuel Estimo, ein Schachmeister und Jinkys Anwalt auf den Philippinen, zweifelte das Ergebnis des Gentests an. In einem Brief an die New York Times und andere Medien unterstellte er Betrug:
Die Exhumierung Bobby Fischers wurde nicht auf die übliche Weise durchgeführt. Sein Sarg hätte heraufgeholt und geöffnet werden müssen, um sicherzustellen, dass die sieben entnommenen Proben wirklich von ihm stammten. Tatsächlich grenzt die Vorgehensweise schon ans
Weitere Kostenlose Bücher