Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
Vom Netzwerk:
Titelseite der New York Times geschafft hatte, war 1954 gewesen, als das Sowjet-Team die Vereinigten Staaten besucht hatte. (Sie erinnern sich: Carmine Nigro hatte den elfjährigen Bobby zu dieser Veranstaltung mitgenommen.)
    Bobby Fischer war zum Nationalhelden geworden. Nach seiner Heimkehr rissen sich die Fernsehsender um ihn. Sein Gesicht wurde so bekannt, dass er in New York auf der Straße um Autogramme gebeten wurde. Schlagartig war Bobby berühmt geworden wie ein Popstar. Ein Amerikaner hatte die reelle Chance, den sowjetischen Schachweltmeister zu entthronen! Was für eine Gelegenheit, dem Ostblock mitten im Kalten Krieg eins auszuwischen! Die ganze Welt fieberte dem Duell zweier großer Gehirne entgegen, ausgetragen mit 32 rätselhaften Schachfiguren.

10. Kapitel Der Champion

    A nfang 1972 zog Bobby Fischer in ein New Yorker Hotel; der amerikanische Schachbund zahlte. Was Fischer nützt, nützt der Schachnation , glaubten die Funktionäre. Während Bobby sich auf den Endkampf um die Schachweltmeisterschaft vorbereitete, musste er für seine Anwälte und die Offiziellen des amerikanischen Schachbunds jederzeit greifbar sein. Fast täglich mussten Details zum Preisgeld, Zeitplan oder Austragungsort besprochen und entschieden werden.
    Die letzten Jahre hatte Bobby großteils ein Nomadenleben geführt, immer unterwegs von einem Turnier zum nächsten. Wenn er nach Brooklyn heimkehrte, dann nur, um sich in seiner Wohnung zu verschanzen und auf die nächste Veranstaltung vorzubereiten. Oft steckte er das Telefon aus, um unerreichbar zu sein – manchmal wochenlang. Angesichts der Vielzahl zu regelnder Details kam diese Methode jetzt aber nicht infrage. Also beschloss Bobby, ins Henry Hudson Hotel zu ziehen. Hier stimmte die Atmosphäre, hier hatte Bobby mehrere US-Meisterschaften gewonnen. Und sollte er sich je einsam fühlen, konnte er einfach mit dem Aufzug ein paar Stockwerke hinunter zum Schachclub Manhattan fahren.
    Eines Nachts, kurz nach dem Einzug ins Hotel, fläzte Bobby auf dem Bett und plauderte mit zweien seiner besten Freunde. In den 1970er-Jahren besuchte Nixon China, kam Transzendentale Meditation auf, wurde Zigarettenwerbung in Radio und Fernsehen verboten und Fastfood richtig populär. Aber solche Themen interessierten die drei Männer im Zimmer nicht. Sie hatten sich getroffen, um über Schach und Bobbys Lampenfieber zu reden.
    Sam Sloan war ein gertenschlanker Aktienhändler mit leichtem Südstaatenakzent. Er war ein Jahr jünger als Bobby und ein solider Schachspieler – ein Turnierspieler, aber ohne das Zeug zum Champion. Sein großes Talent lag auf dem Gebiet der Rechtskunde. Der mit einem fotografischen Gedächtnis gesegnete Sloan war der letzte Nicht-Anwalt, der vor dem Obersten Gerichtshof Amerikas einen Fall vertreten – und gewonnen – hatte. Bobby vertraute ihm.
    Der zweite Gast jenes Abends war Bernard Zuckerman, nur 22 Tage jünger als Bobby, ebenfalls aus Brooklyn und Internationaler Meister. Man nannte ihn »Zuck the Book«, weil er in der Schachliteratur belesen war wie kein Zweiter. Er galt – auch für Bobby – als der führende amerikanische Theoretiker auf dem Feld der Eröffnungen. Zuckerman selbst aber behauptete, Bobby kenne sich besser aus. Zuckerman hatte beseelte Augen, außerordentlich lange Wimpern und schulterlanges Haar, ein Überbleibsel aus den 60ern. Bei Turnieren erschien er oft eine halbe Stunde zu spät zu seinen Partien, spielte schnell und bot in der Regel Remis an, die ausnahmslos angenommen wurden. Bobby hielt große Stücke auf ihn. Sowohl Sloan als auch Zuckerman interessierten sich brennend für Schach, Bobby und Frauen – Interessen, die Bobby leidenschaftlich (für Schach und sich selbst) beziehungsweise halbherzig teilte (für Frauen).
    In jener Nacht erwiesen sich die zwei als wahre Freunde. Sie versuchten, Bobby die Angst vor dem bevorstehenden Titelkampf zu nehmen. Obwohl Bobby gerade eine der größten Leistungen in den Annalen des Schachs erbracht hatte, indem er Taimanow, Larsen und Petrosjan mit zusammengerechnet 18½ zu 2½ vernichtete, fürchtete er Spasskis Spielstärke. Bobby lobte Spasskis »dynamischen, ganz eigenen Stil«. Er hatte Spasski noch nie geschlagen und gestand seinen Freunden, dass er sich Sorgen machte. »Was macht dich so skeptisch?«, erkundigte sich Zuckerman. Schließlich sei Spasski doch nicht besser als Petrosjan. »Spasski ist besser«, antwortete Bobby bedauernd. »Nicht viel besser, aber besser.« Was

Weitere Kostenlose Bücher