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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Vordergrund hoben sich links und rechts braun-rot leuchtend vom hellen Blau des Himmels ab, diejenigen im Hintergrund wirkten blasser und lagen in leichtem Dunst. Es war ein schöner Anblick, ein Fotomotiv. Sie fuhren weiter und folgten den Serpentinen nach Tasarte, durchfuhren die Ortschaft und passierten vereinzelte Häuser. Etliche Gebäude waren im Rohbau geblieben und von ihren Besitzern offensichtlich vor der Fertigstellung aufgelassen worden. Sie durchfuhren die letzten unmittelbar aufeinander folgenden rechtwinkligen Kurven, dann endete die Asphaltstraße.
    »Es ist gleich vorn rechts«, sagte Marie. »Hier habe ich geparkt.«
    Stephan rief Julita Rosell auf dem Handy an.
    »Ich sehe den Atlantik jetzt direkt vor mir«, sagte er.
    »Gut«, antwortete sie. »Fahren Sie an der Mauer entlang. Dann biegen Sie rechts auf das Grundstück ein. Das Tor ist offen.«
    Sie fuhren langsam weiter.
    »Da vorn ist es«, zeigte Marie.
    Stephan lenkte das Fahrzeug auf das Grundstück und parkte neben dem Gebäude. Julita Rosell stand am Haus und winkte ihm zaghaft zu. Sie trug ein schwarzes modisches Kleid. Stephan und Marie stiegen aus und gingen auf die Witwe zu. Sie war blass und ungeschminkt. Stephan kondolierte ein weiteres Mal. Marie drückte ihre Hand.
    »Ich dachte, Sie wären in Deutschland«, wunderte sich Frau Rosell. »Hatten Sie das nicht gesagt, Herr Knobel?«
    »Doch!«, antwortete Stephan. »Marie ist gestern wieder hergekommen. Zuhause sitzen und auf die Post mit Absagen warten ist auch nichts, oder? Es gibt so viele Flugverbindungen. Da ist ein Spontanflug keine Sensation.«
    »Natürlich nicht!« Julita Rosell gelang ein flüchtiges Lächeln. »Kommen Sie rein!«
    Sie betraten das Haus. Es war ein altes Gebäude, niedrig und mit flachem Dach wie die meisten Häuser auf der Insel. Der Außenputz hatte lange Risse und war an vielen Stellen abgeplatzt.
    »Es fehlt an allem«, sagte Julita Rosell entschuldigend. »Meine Familie ist nie reich gewesen. Aber sie hat seit Generationen dieses Grundstück. Es ist recht groß und wurde früher landwirtschaftlich genutzt. Doch die Bewirtschaftung ist und bleibt ein Problem. Es fällt nur einige Tage Regen im Jahr. Das reicht nicht für die Kulturen. Wir haben wie alle anderen hier Brunnen gebohrt. Das half eine Zeit, aber es funktioniert nicht mehr. Der Grundwasserspiegel der Insel ist bedrohlich gesunken. Wasser ist das Luxusgut dieser Insel. – Kommen Sie, nehmen Sie im Gästezimmer Platz, ich bringe Ihnen einen Tee. – Oder möchten Sie etwas anderes?«
    Sie verneinten und folgten ihr in ein dunkles schattiges Zimmer mit einer ausgesessenen Couch, einem niedrigen Tisch und einer kleinen Kommode mit halbgeöffneten Türen. Auf dem Boden stand eine Kiste mit Legosteinen.
    »Es ist Davids Zimmer, wenn er hier ist«, sagte Frau Rosell. »Nehmen Sie bitte Platz, ich bringe Ihnen einen Tee. Einen kleinen Augenblick bitte!«
    Sie verließ das Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Marie und Stephan setzten sich auf die alte Couch. Das Zimmer wirkte bedrückend. Die Luft darin war stickig. Das kleine Fenster hoch oben an der Wand, das nach hinten durch die dicke Außenwand zum Berg hinausging, war von außen vergittert. Wie oft sah man auf dieser Insel vergitterte Fenster! Marie betrachtete die Wand gegenüber. Dort hingen weitere Zeichnungen des kleinen David, auch eines mit dem Piraten, der sein Versteck in dem Haus am Strand hatte und über einen Sender Kontakt mit seiner Gefolgschaft hielt. ETRA-SAT sendete. Sie sah genauer hin, dann kniff sie Stephan in den Arm.
    »Sie hat mich gesehen, als ich neulich hier war«, flüsterte sie erregt.
    »Unsinn. Wie kommst du jetzt darauf?«
    »Lies mal ETRA-SAT umgekehrt!«
    Stephan sah auf das Bild.
    »Es heißt Tasarte«, sagte sie.
    »Ja, und?«
    »Erinnerst du dich, dass wir sie in ihrem Haus danach fragten, was ETRA-SAT heißt? Da erzählte sie, dass der Junge verspielt den Begriff von der Separatistenbewegung ETA abgeleitet habe. So ein Quatsch! Sie wird doch wissen, dass er nur den Namen Tasarte umgedreht hat. Aber damit wollte sie nicht herausrücken. Sie hat den Namen des Ortes verheimlicht und ihn dir gegenüber erst offenbart, als sie ihn nicht mehr verbergen konnte. Das kann nur dadurch passiert sein, dass sie mich hier gesehen hat. Ich hatte gleich ein mulmiges Gefühl.«
    Stephan überlegte.
    »Und wenn schon«, flüsterte er. »Wir wollen sie doch sowieso mit unserer Entdeckung konfrontieren.«
    »Aber wenn sie

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