Endstation bei Al Wheeler
er aus
dem Fenster. Der Mörder — bei seinem zweiten Mord so gut wie ertappt — zog vor,
Selbstmord zu begehen, anstatt den Konsequenzen ins Gesicht zu sehen. Damit ist
der Fall erledigt. Was soll daran nicht stimmen ?«
»Sie fangen genauso an zu reden
wie der Typ eines Polizeibeamten, für den mich Jorgans gehalten hat«, fuhr ich ihn an. »Der Typ, der sich immer für den leichtesten
Ausweg entscheidet. Ich will Ihnen sagen, was daran nicht stimmt. Was für einen
Grund soll er überhaupt gehabt haben, Janice Iversen umzubringen? Was war sein Motiv ?«
Das Gesicht des Sheriffs wurde
fleckig, als ob ihm demnächst die Arterien platzen würden. »Nun — äh — ich
nehme an...« Dann trat plötzlich ein triumphierendes Funkeln in seine Augen.
»Ganz einfach, Wheeler! Wenn Jorgans Carroll
umgebracht hat, dann muß er auch der Bursche im Sankt-Nikolaus-Kostüm gewesen
sein. Nicht wahr? Und als die Iversen ihn in der
Küche sah, erkannte sie ihn. Vermutlich dachte sie, er sei daraufhin leicht zu
erpressen, rief ihn heute abend an und teilte ihm mit, er solle mit der ersten Anzahlung in ihre Wohnung
kommen. Vielleicht bekam sie hinterher Angst, er könne ihr möglicherweise etwas
antun, und rief Sie an, um Sie um Schutz zu bitten. Aber Jorgans war zuerst da .«
Verdammt, dachte ich wütend,
das enthält gerade ausreichend viel Logik, um es einleuchtend erscheinen zu
lassen. Also strengte ich mich gewaltig an, um ein respektvolles Grinsen auf
mein Gesicht zu zaubern und sagte: »Daran könnte etwas Wahres sein, Sheriff !«
»Vergessen Sie nicht, Wheeler«,
sagte er, seinerseits grinsend, »wenn Sie mal wirklich in der Tinte sitzen,
fragen Sie mich um Rat .«
»Wenn die Kugel, mit der
Carroll erschossen wurde, dasselbe Kaliber hat wie die aus Jorgans ’
Pistole, dann muß ich Sie wohl ernst nehmen«, knurrte ich heiser.
Ed Sanger nahm die Waffe, die
neben dem Telefon lag. »Ist das Jorgans ’ Pistole ?«
»Ja«, sagte ich.
»Kein Gedanke«, sagte er
entschieden. »Das hier ist eine vierundvierziger Magnum. Carroll ist mit einer Achtunddreißiger umgebracht worden .«
Ich lächelte vergnügt in Lavers ’ apoplektisches Gesicht. »Na, dann wieder zurück zum
Reißbrett, Sheriff. Was?«
»Er kann zwei Pistolen besessen
haben«, murmelte er, aber so, wie er es sagte, merkte man, daß er dies selber
nicht glaubte.
Vom Korridor draußen drang das
Geräusch schwerer Marschtritte herein, und dann trat Sergeant Polnik ins Zimmer. Wie immer fragte ich mich, wie ein
einzelner Mann es nur schaffen konnte, ebensoviel Krach wie eine Kompanie Marineinfanteristen zu machen.
»Na«, bellte ihn Lavers an, »was haben Sie herausgefunden ?«
»Nicht viel, Sheriff.« Polniks primitive Züge hatten einen geradezu entmutigten
Ausdruck. »Es sieht so aus, als ob sie demnächst das ganze Gebäude einreißen
wollen. Wenn also ein Mietvertrag abläuft, wird er einfach nicht mehr erneuert.
Das Haus ist so gut wie leer, mit Ausnahme eines alten Ehepaars im ersten Stock
und eines Schwulenpaars im obersten. Keiner von ihnen hat etwas gesehen oder
gehört .«
»Das ist eine gewaltige Hilfe .« Der Sheriff schüttelte gereizt seinen massigen Leib.
»Wahrscheinlich haben Sie recht, Wheeler, wir können alle nach Hause gehen.
Hier ist nichts mehr zu tun .«
»He, Doc«, Polnik strahlte leutselig in Murphys finsteres Gesicht, »wie nannte er sich noch, als
Sie ihn kennenlernten ?«
»O du lieber Himmel !« sagte Murphy mit heiserer Stimme. »Das hat mir gerade
noch gefehlt, im Kasperletheater dieses Hanswursts den Partner abzugeben !«
Der Sergeant lächelte ihn noch
immer beglückt an. »Ich meine«, sagte er vorsichtig, »nannte er sich Joe Bartok
— oder Dean Carroll ?«
»Machen Sie so weiter,
Sergeant«, sagte Murphy zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »und ich
werde bei Ihnen innerhalb der nächsten zwei Minuten eine Trepanation vornehmen,
aber ohne Narkose! Ich werde das ganze Sägemehl, das Sie zwischen Ihren Ohren
haben, herausnehmen, daß Sie klappern werden, wenn Sie
gehen. Mehr noch, ich werde Ihnen...«
» Stop «,
sagte ich. »Woher haben Sie diesen anderen Namen — Joe Bartok, Sergeant ?«
»Aus der Polizeizentrale von
Los Angeles«, sagte er beiläufig. »Sie haben eine ganze Akte über ihn in ihrem
Archiv. Er hat drei Jahre lang wegen schwerem Diebstahl gesessen und wurde
neunzehnhundertfünfundfünfzig aus San Quentin entlassen. Seither lag nichts
mehr gegen ihn vor .«
Ich sah den
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