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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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Erstes wollte ich zum Interconti, da man von dort aus einen sehr guten Rundumblick auf wirklich alle Teile des Molochs Kabul werfen kann. Die kompletten Ausmaße der Stadt waren von dort oben perfekt zu sehen: Links im Osten lag die City von Kabul, daran schloss sich im Nordosten der KIA an. Etwa einen halben Kilometer entfernt lag in nördlicher Richtung ein Berg, in den eine gigantische Bunkeranlage eingelassen war, randvoll mit Sprengstoff und Munition gefüllt. Die EOD-Kräfte hatten nur einmal einen Blick hineingeworfen und sofort wieder kehrtgemacht. Keine Chance, diese Sprengstoffmassen zu entschärfen – bei einem Unfall wäre der gesamte Berg und bestimmt ein Viertel der Stadt zerstört worden. Im Westen konnte man schön die Polytechnische Hochschule sehen und das Loya-Jirga-Zelt, das noch immer für andere Veranstaltungen genutzt wurde. Sogar der Königspalast, unser nächstes Ziel, war südwestlich in der Ferne zu erkennen.
    Als die drei sich einen ersten Eindruck verschafft hatten, setzten wir die Tour fort. Zwischendurch griff ich immer wieder zum Funkgerät und erklärte das eine oder andere, das mir gerade einfiel. Alles verlief bestens und ruhig. Auch die drei Männer wurden immer stiller im Verlauf unserer Tour. Unsere vorletzte Station war der Königspalast im zerbombten Süden der Stadt. Um den Palast herum befinden sich noch heute Gebäude für die ehemaligen Bediensteten des Königs, die einmal sehr schön ausgesehen haben müssen. Der riesige Palast ist komplett geplündert und zum Teil ausgebrannt, eine Folge der sehr heftigen Kämpfe aus der Zeit der Taliban-Herrschaft. In einem der vier kuppelförmigen Türme hatten die Briten einen Beobachtungspunkt eingerichtet.
    Etwa vier Stunden waren wir schon unterwegs und fuhren nun zum letzten Punkt, zum Königsgrab, das in der Nähe eines sehr großen Gräberfeldes auf einer kleinen Anhöhe liegt. Von dort hat man einen sehr guten Ausblick auf die große Moschee und das »Olympia«-Stadion von Kabul. Geschützt durch eine ehemals lapislazuliblau strahlende Kuppel, steht der Sarkophag des ehemaligen Königs von Afghanistan genau in der Mitte unter dem Kuppeldach. Als Zaher Schah, der Sohn des toten Königs, über neunzigjährig aus dem Exil zurückgekehrt war, hatte sein erster offizieller Besuch der Grabstätte seines toten Vaters gegolten. Als meine drei Begleiter alles gesehen und mich ausgiebig befragt hatten, entschlossen wir uns, dass es für heute genug war und wir zurück ins Camp fahren wollten. Ich hatte mit den drei Soldaten nichts anderes gemacht als Alex ein paar Monaten zuvor mit mir: eine Einweisung in den Stadtbereich, die Hauptstraßen und einige »Sehenswürdigkeiten« – das war es im Großen und Ganzen. Obwohl ich hier gerade eine »Extratour« der ungewohnten Sorte fuhr, freute ich mich, dass ich den Männern mit meinem Wissen helfen konnte. Müde von den vielen neuen Eindrücken trotteten die drei hinter mir zu den Fahrzeugen. Wir waren noch nicht losgefahren, da ertönte ein Funkspruch: »An alle, meiden Sie Kabul Stadion; an alle, meiden Sie Kabul Stadion, Ende.« Was war dort wohl los?
    Die drei Neulinge waren merklich überrascht. Natürlich war auch meine Neugier geweckt. Von unserer Position aus konnte man das Stadion gut erkennen. Ich nahm ein Fernglas, um die Lage näher zu untersuchen, und sah im Umfeld eine Häufung von grünen Punkten, also Soldaten. Die drei stellten keine Fragen, als ich ihnen sagte, dass ich mir die Sache gerne aus der Nähe angucken würde. Bisher war ja alles recht entspannt abgelaufen. Wahrscheinlich dachten sie sich: »Der macht das schon.« Also fuhren wir los – nicht Richtung Camp wie geplant, sondern Richtung Stadion.
    Schon nach ein paar Minuten näherten wir uns dem Stadion von Süden auf der Route Indigo, dem Schauplatz des Geschehens. Als das Stadion rechter Hand in Sichtweite kam, drosselte ich die Geschwindigkeit und hielt nach irgendwelchen Hinweisen Ausschau. Die ließen nicht lange auf sich warten: Am linken Straßenrand sah ich mehrere Militärfahrzeuge der ISAF stehen. Schon kam ein deutscher Offizier gestikulierend auf uns zugerannt. Die Dienstgradabzeichen des Majors glänzten silbern in der Sonne, als er unsere beiden Fahrzeuge hinter die dänischen Fahrzeuge winkte, die dort bereits standen. In einiger Entfernung konnte ich amerikanische Fahrzeuge ausmachen. Alle standen sie gedeckt, auf Hinterhöfen oder versteckt in kleinen Gassen. Hier muss irgendwas ganz Großes im

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