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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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drücken. Also lieber die Kröte schlucken. Vielleicht verliert der deutsche Hauptmann irgendwann das Interesse an mir, hoffte ich. Doch es kam anders.

Selbstmordkommando
am Kabul Stadion
    Am nächsten Tag ging ich zum vereinbarten Treffpunkt für die Einführungstour durch Kabul. Ein Hauptmann, ein Oberfeldwebel und ein Stabsunteroffizier standen wie aus dem Ei gepellt vor mir. Man sah den Männern an, dass sie gerade erst ins Land gekommen waren. Sie waren frisch rasiert und hatten einen mitteleuropäisch blassen Teint, ihre Uniformen waren tipptopp. Ich dagegen sah aus wie ein Schwein. Nach den vielen Nonstop-Aufträgen in den Tagen zuvor hatte ich noch keine Zeit gehabt, meine Ausrüstung ordentlich zu reinigen, nur das Notwendigste: Waffen und optisches Gerät. Fast vierzehn Tage am Stück war ich mit den Kommandos unterwegs gewesen, und entsprechend sahen ich und meine Ausrüstung auch aus. Dieser Eindruck wurde noch durch die glänzenden Stiefel und sauberen Uniformen der anderen drei unterstrichen. Der Unterschied war frappierend.
    Ich stellte mich vor und erklärte ihnen anhand der Karte, welche Strecke wir heute zurücklegen wollten und was es dabei zu sehen geben würde. Auch gab ich ihnen eine kleine Einweisung in die allgemeine Lage in und um Kabul. Die drei hörten sehr interessiert zu und stellten viele Fragen, was mich freute. War ich doch selbst ein neugieriges Kerlchen, das andere mit seiner Neugier in den Wahnsinn treiben konnte. Nachdem sie mich anfangs wegen meiner Aufmachung ein bisschen schräg angeguckt hatten, war ich mir nun sicher, dass wir uns gut verstehen würden. Die drei machten einen aufgeschlossenen und offenen Eindruck auf mich. Zum Schluss unserer Besprechung fragte ich sie noch, ob sie etwas Bestimmtes sehen wollten oder noch irgendwelche Fragen hätten, was sie aber verneinten. Sie wollten nur einen Überblick über Kabul und, ganz wichtig, die Stimmung aufnehmen, die in der Stadt herrschte. Zwei Fahrzeuge der Aufklärungskompanie standen uns zur Verfügung, ein abgeplanter, ungepanzerter Wolf und ein gepanzerter. Ich teilte die Besatzung natürlich so ein, dass ich – zusammen mit dem Stabsunteroffizier – auf dem abgeplanten Fahrzeug saß. Der Hauptmann und der Oberfeldwebel sollten den gepanzerten Jeep nehmen. Nachdem wir die Funkgeräte gecheckt hatten, meldete ich uns bei der OPZ im Stabsgebäude ab, und wir verließen das Camp Richtung Stadt.
    Es war, wie jeden Tag, bereits am Morgen unerträglich heiß. Die ganze Stadt scheint auf Staub und Dreck gebaut zu sein. Wohin man nach all den Jahren Krieg auch schaute, alles war verfallen oder zerstört. Das war umso trauriger, als man dieser Stadt ansehen konnte, wie schön sie vor Jahrzehnten gewesen sein musste. Die Baukunst war an vielen Orten bemerkenswert und erinnerte mich an die leuchtenden Metropolen Europas. Meine drei Gäste zeigten sich fasziniert von dieser Stadt voller Gegensätze. Als wir auf der Jalalabadroad dahinschaukelten, sah ich mir aus den Augenwinkeln den Stabsunteroffizier an, der neben mir saß. Ich erkannte mich selbst in ihm wieder. Vor fünf Monaten war ich ebenfalls in einem Wagen auf dieser Straße mit Alex zu meiner ersten Stadtfahrt unterwegs, und mein Gesichtsausdruck hatte vermutlich so ausgesehen wie der des Stabsunteroffiziers neben mir. Er drückte sich die Nase an der Scheibe platt und versuchte alles, aber auch wirklich alles in sich aufzusaugen. Ich musste schmunzeln, als ich darüber nachdachte, wie schnell doch die Zeit vergeht.
    Dass Hauptmann Fiebig mich für diesen Auftrag bestimmt hatte, ging schon okay. Ich war für die Rolle des Fremdenführers durch Kabul perfekt geeignet. Ich kannte die Stadt inzwischen wie meine Westentasche. Meine Kenntnisse resultierten auch aus einem Spiel, das sich die niederländischen KCT ausgedacht hatten. Einige Teammitglieder bekamen bei Fahrten durch die Stadt die Augen verbunden und mussten aufgrund der Geräuschkulisse und gefühlten Atmosphäre herausfinden, wo sie gerade waren. Auf den ersten Blick mag das wie eine spinnerte Idee klingen. Aber es gab einen ernsten Hintergrund: Es war nämlich die perfekte Übung, um sich auch bei Dunkelheit in dieser Stadt zurechtfinden zu können oder im Falle einer Entführung Angaben zum Aufenthaltsort machen zu können. Ich hatte also den Stadtplan sowie die dazugehörigen Gerüche und Geräusche im Kopf und wusste genau, wie man am besten und vor allem am sichersten dorthin kam, wo man auch hinwollte.
    Als

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