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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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zusätzliche Sicherung. Wir vier waren völlig auf uns gestellt. Die ganze Aktion sollte sehr geheim ablaufen – kein Wunder, bei der Orchestrierung durch den Geheimdienst – und auch geheim bleiben. Deshalb sollten wir mit keiner Menschenseele über diesen Auftrag reden, und es wurden keine anderen Kräfte involviert.
    Was die Sache noch unangenehmer machte: Kein Mensch konnte uns sagen, auf wie viele Personen wir dort treffen würden und wie diese bewaffnet wären. Wenn ich noch Haare gehabt hätte, hätten sie mir zu Berge gestanden. Aufklärungsergebnisse und Vorabinfo waren nur eins: katastrophal!
    Nach der Auftragserteilung kam ich völlig neben der Spur bei meinen niederländischen Kameraden an. Sie schauten mich fassungslos an und konnten nicht glauben, was sie da hörten. Aber auf meine Jungs war Verlass: Ohne mit der Wimper zu zucken, versprachen sie mir, während der Aktion »zufällig« in einem Abstand von maximal 1000 Metern zu besagtem Ort eine Patrouille zu fahren, um im Bedarfsfall schnell da zu sein und helfen zu können. Schon wurde es mir etwas leichter ums Herz. Trotzdem kam ich mir ziemlich blöd vor, diesen Umweg gehen zu müssen, um wenigstens ein Minimum an Sicherheit zu bekommen. Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass die Leute vom Geheimdienst uns wohl ausnutzten. Vor allem nutzten sie den Umstand, dass wir nicht muckten oder zuckten, wenn wir solche Aufträge bekamen. Schließlich waren wir sogar noch froh darüber, nicht im Camp versauern zu müssen. Ich könnte heute noch in die Luft gehen, wenn ich an diese Vorgehensweise denke.
    Am nächsten Tag fuhr ich mit Marcel, Oli und Björn zum Ort des geplanten Waffendeals. Wir hielten mit unseren Fahrzeugen in der Nähe des Kabul River und kippten fast aus den Latschen, als wir ausstiegen: Ein gotterbärmlicher Gestank, ein übles Gemisch aus Abfällen, Exkrementen und brackigem Wasser, lag in der Luft. In gut 50 Metern Entfernung sahen wir das Fahrzeug der Humint-Kräfte und nahmen, hinter einer Mauer versteckt, Verbindung mit dem Fahrer auf. Über Funk teilte er uns mit, dass sich die anderen bereits zur Verhandlung ins Haus begeben hätten. Mir klappte fast die Kinnlade herunter. Wollten die im Ernst ohne Absicherung mal eben Stinger-Raketen shoppen gehen? Dabei hatten wir lang und breit besprochen und vereinbart, dass sie warten, bis wir in Position gegangen sind und ihnen ein Zeichen geben! Es war zum Verzweifeln.
    Also näherten wir uns gedeckt dem Ort des Geschehens an, bis wir irgendwann ernüchtert stehen blieben. Wenn wir weiter bis zum Haus vorstoßen wollten – was ja Sinn der Übung war –, hatten wir gleich ein sehr unschönes Problem: Wir konnten uns nur durch die offene »Kanalisation« an das Haus annähern. Drastisch ausgedrückt standen wir bis zu den Knien in menschlichen Exkrementen. Das wurde ja immer besser! Zu allem Übel wurden wir plötzlich noch von Kindern angebettelt. Unverfroren stiegen sie zu uns in die Jauchegrube und bettelten mit dem allvertrauten »Biscuit?! Biscuit!« um Kekse. Diese Kinder sahen zum Steinerweichen aus. Sie alle hatten die »Kala azar« oder schwarze Krankheit, auch als Orientbeule bekannt. Sie wird von infizierten Mücken übertragen und verursacht oft schwere Verstümmelungen im Gesicht, die bei diesen Kindern deutlich zu erkennen waren. Mir kam die Galle hoch, ich stand kurz vor der Explosion und hätte beinahe alles hingeschmissen. Hätte ich dieses Schauspiel von außen gesehen, hätte ich mir vor Lachen wohl den Bauch gehalten. In meiner Situation war mir allerdings eher nach Schreien zumute.
    Aber es half ja alles nichts. Also drehte ich mich zu den drei anderen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. »Also, die Eingangstür scheint ja nach rechts aufzugehen. Wenn wir eingedrungen sind, machen wir nach links den Fächer auf, okay?«
    Drei ahnungslose Augenpaare guckten mich an. Mir wurde heiß und kalt. Warum hatte ich Idiot in meinem jugendlichen Leichtsinn gedacht, dass Marcel, Oli und Björn Routine mit so etwas hatten? Oder dass sie zumindest von ihrem KCT-Team auf solche Sachen vorbereitet worden waren? Ich sprach hier vor einer Standardformation, mit der man einen Raum sehr schnell in alle Bereiche absichern kann, und sie verstanden nur Bahnhof! In Gedanken erwürgte ich den Geheimdienstler, der uns den Auftrag erteilt hatte.
    Plötzlich ging die Tür auf. Die beiden Humint-Leute kamen heraus. Sie hatten zwei Mörserrohre unterm Arm und brachten frohlockend ihre Beute zum

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