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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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Außerdem wurde definiert, welche Position ich im Team einnehme, wenn wir in ein Haus eindringen müssten. Wir übten also das Auffächern, das heißt Verteilen im Raum, und, und, und …
    Es klappte alles prächtig. Ich hatte bei meinen ganzen Spezialkursen all das gelernt, und auch die Unterschiede zwischen deutscher und holländischer Ausbildung waren nicht zu groß. Zwei Tage ging dies so. Jeden Morgen fuhren wir auf die Schießbahn und übten bis zum Umfallen die verschiedenen Prozeduren. Mein neues Team wollte einfach absolut sichergehen, dass ich diese Sachen im Schlaf beherrsche und ihnen im Einsatz keine Probleme mache. Nach diesen immer heftiger werdenden Trainingsrunden zeigten sich alle sehr zufrieden mit mir. Und ich war tief beeindruckt von der ruhigen Professionalität dieser Soldaten. Müde und stolz kroch ich in mein Bett und war gespannt darauf, was für einen Auftrag das Team nun erhalten sollte.
    Es zeichnete sich ab, dass wir uns in dem nordwestlich von Kabul gelegenen Bezirk Paghman umschauen sollten. Eine hochrangige Person hatte diesen Bezirk unter Kontrolle. Doch es war nicht nur eine hochrangige, sondern auch eine nicht gerade ungefährliche Person: Khaddafy Janjalani war der Anführer von »Abu Sayyaf«, einer militanten islamistischen Untergrundorganisation. Hauptsächlich sind die auch »Schwertkämpfer« genannten Terroristen im muslimischen Süden der Philippinen zugange, wo sie einen islamischen Gottesstaat nach iranischem Vorbild errichten wollen. Auch andere Europäer hatten mit Abu Sayyaf bereits ihre Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel die Familie Wallert, die im Jahr 2000 von Terroristen dieser Gruppe entführt und lange festgehalten worden war. Unsere Aufgabe war, die örtlichen Gegebenheiten in dem von Janjalani kontrollierten Bezirk aufzuklären und herauszubekommen, ob die Bevölkerung der ISAF freundlich gesinnt ist.
    Mit dem gesamten Kommando, also sechs Fahrzeugen unter ISAF-Flagge, fuhren wir los, auf der Route Orange am Holzmarkt vorbei Richtung Stadtgrenze. Die staubigen Sandpisten außerhalb Kabuls wurden Richtung Paghman von befestigten Schotterpisten abgelöst. Außerdem bekamen wir eine komplett andere Vegetation zu sehen. Sattgrüne hügelige Landschaften mit gepflegten bewirtschafteten Feldern zogen an uns vorbei. Eine Wohltat für unsere Augen, die braungraue Kraterlandschaften gewohnt waren.
    Der Karte zufolge steuerten wir auf ein »Fort Paghman« genanntes Plateau zu, auf dessen Rückseite sich in einer Senke das Dorf Paghman befand. Auf dem Plateau angekommen, blieben wir stehen und holten unsere Fernrohre aus, um die Lage zu sondieren. Offensichtlich lag Janjalanis Haus westlich des Dorfes auf einer Anhöhe. Der Karte zufolge verlief die Grenze der AOR ziemlich genau unterhalb seines Hauses, am Fuße des Berges. Dort plätscherte ein Bach in die Tiefe, und eine Straße schlängelte sich in Serpentinen nach oben zu dem Anwesen. Unten, am Beginn der Straße, war das obligatorische Wachhäuschen mit dem ebenso obligatorischen russischen schweren Maschinengewehr darauf zu erkennen. Überraschend war allerdings etwas anderes: Durch unsere Optiken konnten wir bei den dort stationierten Posten kleine moderne Handfunkgeräte erkennen, die wir dort nicht vermutet hätten. Sie waren wohl gerade dabei, Verbindung mit den am Haus postierten Wachen aufzunehmen, um unser Auftauchen zu melden. Auch oben am Haus sahen wir plötzlich Bewegung und fanden uns in einer kuriosen Situation wieder: Wir wurden nun mit Ferngläsern beobachtet, wie wir sie mit unseren Ferngläsern beobachteten.
    Trotzdem saßen wir auf und fuhren in Richtung Dorf weiter. In der Senke, in deren Zentrum das Dorf lag, verwandelte sich die gut befahrbare Straße in eine von blühenden Bäumen gesäumte Allee. Gespannt fuhren wir in den Ort hinein und registrierten sofort die Unterschiede zu Kabul und den Dörfern, die wir bislang kennengelernt hatten: Die Lehm- und Steinhäuser waren allesamt sehr gepflegt, sie hatten sogar Fensterläden aus Holz. Uns fiel sofort auf, dass die Menschen auf den Straßen überdurchschnittlich gut gekleidet waren und gepflegt und sehr relaxed aussahen. Links im Dorf gelangten wir zu einem Marktplatz mit vielen Obstständen mit frischen Waren, was leider kein Standard war. Andere Händler boten saftiges Fleisch an, das nicht wie in Kabul von einer Traube Schmeißfliegen umgeben war. Hinter dem Marktplatz sahen wir zwei Uniformierte lässig wie Dorfsheriffs auf der Veranda der

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