Endstation Kabul
örtlichen Polizeistation sitzen.
Wir genossen dieses Dorfidyll, das wie eine Mischung aus Toskana und Tausendundeiner Nacht anmutete. Augenscheinlich sorgte Khaddafy Janjalani sehr gut für die Menschen in seinem Bezirk, was hierzulande leider keine Selbstverständlichkeit war. An jeder Ecke, die wir passierten, klappten junge Männer ihre Mobiltelefone auf und verbreiteten per Handykette, dass wir im Anmarsch waren. Uns juckte das nicht groß. Denn erstens hatten Janjalanis Wachen uns ja längst auf dem Schirm. Und zweitens war es uns ganz recht, dass die Männer Handys bei sich trugen und nutzten und keine Gewehre. Das war uns jedenfalls lieber, als Horden von Bewaffneten in den Straßen zu sehen, was wir oft erlebt hatten. Doch die Menschen hier trugen keine Pistolen oder Gewehre mit sich herum und sahen auch nicht feindselig, sondern eher zurückhaltend aus. Wahrscheinlich waren sie an so einen Anblick wie uns einfach nicht gewöhnt, weil bis dahin noch kein ISAF-Soldat nach Paghman gekommen war.
Gleich am nächsten Tag fuhren wir für eine weitere Patrouille in den Bezirk. Wie am Tag zuvor funktionierte die Handykette der Einheimischen einwandfrei. Auch das eine oder andere sehr verwunderte Gesicht konnten wir sehen. Vermutlich waren die Einwohner erstaunt, dass wir schon wieder in ihrem Bezirk unterwegs waren. Dieses Mal bogen wir links hinter dem Marktplatz ab und fuhren auf der Brücke über das Flüsschen. Wir nahmen die parallel zu diesem Gewässer gelegene Straße. Sie entsprach dem Grenzverlauf der AOR am Fuße des Berges, auf dem Janjalanis Anwesen thronte. Die Straße führte direkt zu dem Wachhäuschen. Wie der Diensthabende wohl gucken würde? Der Posten reagierte zwar nicht feindselig, aber sehr begeistert schien er über unseren Besuch nicht zu sein. Nach einem kurzen Austausch von Freundlichkeiten und Zigaretten hatten wir unsere Mission für den heutigen Tag erfüllt: Die Menschen waren an unseren Anblick gewöhnt, und wir hatten einen ersten Kontakt zu einem Wachposten aufgebaut. Gut gelaunt fuhren wir zurück ins Camp und berichteten die Ergebnisse unserer OPZ.
Ich hatte mich bei meinen niederländischen Kameraden gut eingelebt und fühlte mich dort so wohl, dass ich mich auch in meiner Freizeit ausschließlich in deren Bereich aufhielt. Wann immer es möglich war, saßen wir in ihrem Betreuungszelt zusammen, das »Snedder-Lounge« getauft worden war. »Snedder« ist das niederländische Wort für »Esel«, und genau ein solches Grautier war das Maskottchen des Kommandos, das hinter der Lounge in einem Pferch stand. Die Niederländer hatten den Esel noch vor meiner Zeit einem Einheimischen abgekauft und kümmerten sich um ihn wie um ein Familienmitglied. Logisch, dass er zu besonderen Gelegenheiten auch ehrenhalber das Barett der Kommandos auf den Kopf gesetzt bekam. Wenn alle für mehrere Tage auf Achse waren, wurde der Esel bei einer Herde in der Nähe des Camps untergestellt. Wahrscheinlich waren die Holländer die Einzigen, die ein eigenes Haustier im Camp hatten – wenn man von den unwillkommenen vielbeinigen Krabbeltieren mal absah. Ich ging nur noch zum Schlafen zurück in meine Camp-Site. Meine Mitbewohner guckten mich ganz schön schief an, wenn ich mit meinen vielen niederländischen Waffen ins Zelt gestiefelt kam. Nach knapp einer Woche bei den Kommandos und nur die englische Sprache nutzend, träumte ich zum ersten, aber nicht zum letzten Mal in Englisch.
In diesen Tagen wurde mein erster Geheimdienstauftrag an mich sowie drei meiner deutschen Kameraden vom Fernspähtrupp herangetragen. Die Humint-Kräfte, also ihre »Human Intelligence« nutzenden Gesprächsaufklärer, hatten von ihren lokalen Informanten gehört, dass in einem südlich des Zentrums gelegenen Ghettobezirk ein Waffenhändler »Stinger«-Raketen zum Verkauf anbot. Die Humints hatten bereits Kontakt zu dem Mann aufgenommen und ihm erzählt, dass sie sehr an Waffen interessiert seien und welche kaufen wollten. Das war dem guten Mann offenbar kein bisschen spanisch vorgekommen. Wahrscheinlich dachte er nur ans Geld und war seltsame Waffengeschäfte noch aus früheren Zeiten gewohnt. Die Fernspäher Marcel, Oli und Björn wurden zusammen mit mir als »Backup« eingeteilt, falls es bei diesem heiklen Geschäft zu Problemen kommen sollte. Außerdem sollten wir kurz vor Übergabe der Stinger-Raketen den Zugriff durchführen, sprich: den Händler verhaften.
Das Problem war nur: Das »Backup«-Team hatte keine
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