Endstation Kabul
begrüßten mich fröhlich mit einem dahingeschmetterten »Good morning!«. Ich bekam eine Tasse Kaffee in meine zitternden Hände gedrückt, dann übernahm der Chef den ersten Part der nun beginnenden Vorstellung. Er sagte kurz, wie ich heiße und woher ich komme. 30 neugierige Augenpaare verfolgten jede meiner Bewegungen und lauschten ihrem Chef.
Ich stand neben ihm und schwitzte. Die Kaffeetasse wurde immer schwerer in meinen Händen. Der Major stellte mich als Mitglied der neugeschaffenen Spezialzüge innerhalb der Bundeswehr vor. Jedes Fallschirmjägerbataillon in Deutschland stellte so einen Spezialzug auf, der zur »Division Spezielle Operationen« (DSO) gehörte, der auch das KSK unterstellt ist. Als sie das Wort »Special« hörten, bemerkte ich, wie sich meine künftigen Kollegen entspannten. Sie konnten ja nicht wissen, dass ich zu diesem Zeitpunkt nur auf dem Papier zu dieser neuen Einheit gehörte! Ich hatte zwar bereits alle dafür nötigen Lehrgänge besucht. Aber mit der Praxiserfahrung im Einsatz war es nicht allzu weit her, schließlich waren diese Züge erst im Entstehen.
Als ich dann an der Reihe war, ging es mir schon besser und mein Puls ging wieder halbwegs normal. Ich nannte meinen Namen und gab der Truppe einen kurzen Überblick über meine bisherige Tätigkeit in Afghanistan – und schaute in viele Paare wohlwollend blickender Augen. Ab jetzt war ich nur noch Achim, vielmehr »Ackim«, da meine niederländischen Kollegen Probleme hatten, das ihnen ungewohnte »ch« auszusprechen. Dienstgrade oder Nachnamen spielten in dieser Truppe keine Rolle, jeder war mit jedem per Du. Der Chef dankte mir für meine Vorstellung und ließ noch eine kleine, aber harmlose Indiskretion vom Stapel: Die deutschen Fernspäher hätten ihm bereits von meinem Lampenfieber erzählt, und dafür hätte ich meine Sache sehr gut gemacht. Alle anderen Soldaten brachen in Gelächter aus, als sie meine Gesichtsfarbe in Richtung rot wechseln sahen. Sie standen auf, klopften mir auf die Schultern und begrüßten mich im »Club«. Das Eis war gebrochen.
Wie erleichtert ich in diesem Moment war, kann ich gar nicht beschreiben. Aber ich bin überzeugt, dass man den Stein, der mir vom Herzen fiel, bis in das Stabsgebäude hörte. Ab jetzt änderte sich für mich einiges. Die erste Neuerung war die Sprache: nur noch Englisch. Aus Höflichkeitsgründen sprachen auch die Niederländer untereinander Englisch, um mich nicht auszuschließen. Ich ging mit meinen neuen Kollegen nach draußen und beantwortete noch ein paar interessierte Nachfragen. Das Team war beeindruckt und froh, ab jetzt einen Piloten dabeizuhaben. Die Truppführer blieben noch in der OPZ, um die Einzelaufträge für ihre Teams entgegenzunehmen. Anschließend ging ich mit dem Team 4.11 in seinen Bereich, um der Befehlsausgabe zuzuhören. Ich hielt mich bei dieser Besprechung sehr zurück und verlegte mich zunächst aufs Beobachten. Es schien mir absolut angemessen, mit einem gewissen Respekt an die Sache heranzugehen und erst mal zu lernen, wie es dort so läuft.
Ich bekam meine neue Ausrüstung inklusive Funkgerät und Headset, also einen Kopfhörer mit Mikro für das Intercom-Funkgerät, damit wir bei den Einsätzen untereinander kommunizieren können. Gerrit führte mir die Fahrzeuge vor und wies mich in die Waffen ein. Der niederländische Waffencontainer war für jeden Soldaten ein Schlaraffenland. Es gab dort nichts, was es nicht gab. Ich nahm sofort ein paar Waffen, die ich noch nicht kannte, mit. Abends setzte ich mich hin und zerlegte sie wieder und wieder, um ihr Funktionsprinzip zu verstehen, und setzte die Einzelteile wieder zusammen. Außerdem nähte ich meine Kampfmittelweste um, damit das anders dimensionierte Funkgerät und die Magazine der Niederländer in die Taschen passten. Zufrieden und mit dem schönen und beruhigenden Gedanken: »Ich habe eine neue Familie«, schlief ich ein.
Doch der erste Praxis-Check-up stand schon bevor, ein gemeinsames Schießen. Mein Team wollte mir bei diesem Schießen die niederländischen »SOPs« (die »Standard operation procederes«, sprich Standardvorgehensweisen) beibringen und sehen, was ich leiste und wie schnell ich neue Informationen und Praktiken aufnehmen und umsetzen kann. Früh am Morgen fuhren wir zur »Sheep Range«, einer wie ein Panzerfriedhof anmutenden Schießanlage im Norden der Stadt. Einen ganzen Tag lang probten wir das Nahkampfschießen mit den verschiedensten Lang- und Kurzwaffen.
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