Endstation Kabul
Fahrzeug. Stolz verkündeten sie, dass sie nun Kontakt zu einem Waffenhändler hätten, der aber keine Stinger-Raketen habe. Sie dankten uns für die Unterstützung, verabschiedeten sich und fuhren los. Mein Gesicht hätte ich bei dieser Erklärung zu gerne im Spiegel gesehen. Lachanfall und Wutausbruch stritten um die Vorherrschaft. Schließlich machte sich nur Resignation breit und das Gefühl, komplett verarscht worden zu sein. In eine eklige Duftwolke gehüllt, fuhren wir zurück in das Camp. Meine niederländischen Kameraden konnten sich vor Lachen kaum einkriegen, als ich die Story abends zum Besten gab. Das Gelächter war so ansteckend, dass ich sogar mitlachte. Dies verging mir allerdings sehr schnell, als ich daranging, meine Ausrüstung zu reinigen.
Die nächsten Tage stand wieder einmal die Aufklärung der Evakuierungsrouten nach Bagram an. Hatte ich irgendetwas nicht mitbekommen? Hatte sich vielleicht der eine oder andere Berg verflüchtigt? Dieser Auftrag kam uns allen nur wie Beschäftigungstherapie vor. Vor allem deshalb, weil wir einer neuen vielversprechenden Option nicht nachgehen durften. In einheimischem Kartenmaterial hatten wir einen weiteren alten russischen Flugplatz ausgemacht, der allerdings außerhalb der AOR der KMNB lag. Um Klarheit über weitere Evakuierungsmöglichkeiten zu erhalten, wäre die Auskundschaftung des Weges dorthin sinnvoll gewesen, was dann später auch ein anderes KCT-Team erledigte. Wir einigten uns also darauf, Veränderungen bei den Checkpoints aufzunehmen und die Truppenbewegungen zu dokumentieren. Allerdings hatte sich nicht viel verändert. Hier und dort war ein neues Flugabwehrgeschütz an den Checkpoints installiert worden. Uns interessierte dabei vor allem, ob diese Geräte funktionieren. Die Niederländer waren bei der Überprüfung dieser Frage recht pragmatisch und abgeklärt, wie ich es einmal nennen will. Nach Zigarettenaustausch stellte sich ein Mann aus den Kommandos an das Geschütz und feuerte eine Salve in den Berg. Sie funktionierten! Sehr gut sogar!
Nach ein paar ruhigen Tagen mit Patrouillen durch die Stadt sollten wir, das Team 4.11, am 15. Juli nach Bagram fahren, um Absprachen mit den dort stationierten deutschen »Special-Forces«, dem KSK, zu treffen. Wir hatten uns per Autoko, ein abhörsicheres deutsches Telefonsystem, angemeldet und wollten uns mit den deutschen Kommandosoldaten über unsere Aufklärungsergebnisse austauschen. Natürlich war ich sehr gespannt auf neue Erkenntnisse von außerhalb der AOR. Das KSK war ja nicht der ISAF innerhalb Kabuls unterstellt, sondern der landesweit durchgeführten »Operation Enduring Freedom« der Amerikaner. Sie hatten also mehr Bewegungsfreiheit, die sie für ihre heiklen Aufgaben bei der Suche nach Terroristen auch brauchten.
Die Ansammlung von Spezialkräften aus der ganzen Welt in Bagram elektrisierte mich. Der britische SAS (»Special Air Service«) und polnische Special Forces waren vertreten, auch amerikanische SEALs und Deltas tummelten sich dort. Als wir den extra abgesperrten Special-Forces-Bereich im Camp Bagram erreichten und dort auch ohne Probleme durch die Eingangskontrolle kamen, konnten wir schnell ein kleines Grüppchen KSKler erkennen. Vor deren Zelten standen die Gefechtsfahrzeuge der Deutschen und fünf oder sechs Soldaten im deutschen Wüstentarn. Im Nachhinein betrachtet kann das eigentlich nur das Vorkommando des KSK gewesen sein, weil der große Teil der ungefähr hundert Elitesoldaten erst Anfang August von Kandahar im Süden des Landes nach Bagram verlegte. Einen der KSK-Soldaten kannte ich bereits von Lehrgängen. Während unser Teamführer mit dem deutschen Offizier seine Erkenntnisse tauschte, saß ich mit einer Handvoll Jungs vom KSK zusammen, und wir unterhielten uns über Gott und die Welt.
Natürlich wollten alle wissen, wie ich zu den Niederländern gekommen war. Im Vergleich zu ihnen hatte ich damit wohl das bessere Los gezogen. Sie erzählten mir, dass die Moral der KSK-Soldaten total im Keller war. Sinnlos hingen die offiziell im Antiterrorkampf eingesetzten Männer in Kandahar bzw. Bagram herum und drehten Däumchen. Hatten sie zu Beginn dieses Konflikts noch alle anfallenden Aufträge innerhalb der »Operation Enduring Freedom« ausgeführt und sich dabei einige Lorbeeren verdient, so waren ihnen seit geraumer Zeit die Hände gebunden. Das per Standleitung zugeschaltete Einsatzführungskommando in Potsdam hatte einigen Jobs der Kategorie zwei die Freigabe
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