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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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verifizieren. Wir erstellten einen Einsatzplan und arbeiteten nach und nach die drei wichtigsten Punkte ab: Lage, Auftrag und Durchführung.
    Grundsätzlich dauert so eine Einsatzplanung um ein Vielfaches länger als die eigentliche Durchführung. Trotzdem ist es lebenswichtig, alles genauestens vorzubereiten. Dazu gehört ein Überblick über die Gegebenheiten des Objekts sowie der Umgebung. Wir bekamen Satellitenaufnahmen von den Diensten, zum Beispiel vom deutschen ZNBw, zur Verfügung gestellt. Außerdem beobachteten wir im Dunkeln mit optischen Geräten sämtliche Bewegungen, machten Skizzen und Fotos vom Haus. Wir notierten, wo sich Fenster und Türen befanden, und sondierten mögliche Anfahrt- und Abfahrtwege. Nur mit diesen Informationen kann der Personen- und Materialeinsatz abgeschätzt werden. Dann wurden die Teams für den Zugriff bestimmt und genauso viele Männer für das Backup, also als Notzugriffsteam im Hintergrund. Die übrigen Soldaten wurden für die Sicherung der An- und Abfahrtswege oder für die OPZ eingeteilt. Zusätzlich mussten sich hier Kräfte für Spurensicherung, Bombenentschärfung sowie eine eventuelle Festnahme bereithalten. Alles in allem waren also gut sechzig Mann an der Aktion beteiligt.
    Wie ich es nicht anders gewohnt war, wurde mein Team für die heikelste Aufgabe ausgesucht: die Durchsuchung des Objekts. Am nächsten Tag verlegten wir mit dem gesamten Kommando in die Nähe des fraglichen Hauses und gingen in Position. Deutsche Feldjäger riegelten in einiger Entfernung die Zu- und Abfahrtstraßen zum Haus ab. Wir standen mit zwei Vierertrupps vor der Tür des Gebäudes und warteten nur noch auf den Befehl für den Zugriff. Als alle in Position waren, kam über Funk das Go von unserem Einsatzleiter in der OPZ. Wir traten die Tür auf und stürmten los. Da dies alles binnen Sekunden ablief, hatten die Menschen in diesem Gebäude keine Chance, zu flüchten oder sonstwie zu reagieren. Wir hatten sie überrumpelt. Eine ältere Frau saß an einem Tisch, ein paar Kinder sprangen erschrocken an ihre Seite, als wir plötzlich vor ihnen im Zimmer standen. Natürlich setzten wir auf Deeskalation und hielten unsere Waffen mit den Mündungen Richtung Boden. Auch so sahen wir martialisch genug aus. Die alte Afghanin beruhigte die Kinder und schaute uns fragend an.
    Im Nebenraum hatte Pieter bereits eine interessante Entdeckung gemacht. Der ganze Boden lag voller Teppiche. Bei mir gingen alle Alarmglocken an. Darunter konnte man eine Menge verstecken, gebunkerte Munition zum Beispiel. Es war schon zu fühlen, dass sich unter den Teppichen etwas Nachgiebiges, vielleicht ein Holzfußboden, befand. Wir schauten uns auch die anderen Räume an und sicherten somit das komplette Gebäude. Dann gingen wir zurück in das Zimmer mit den Teppichen und begannen, diese vorsichtig und langsam wegzuräumen. Normalerweise wird so etwas von spezialisierten EOD-Kräften durchgeführt, aber in diesem Moment vertrauten wir auf unseren gesunden Menschenverstand. Wir waren relativ sicher, keine versteckten Ladungen zu finden. Schließlich waren eine alte Frau und Kinder in diesem Haus. Die Gefahr wäre zu groß gewesen, dass die Kinder beim Toben die Sprengsätze ausgelöst hätten.
    Nachdem der erste Teppich entfernt war, sahen wir bereits Bretter, die sich anheben ließen. Darunter kam ein Hohlraum zum Vorschein, prall gefüllt mit zwölf Raketen. Und zwar von der Sorte, die immer wieder in Richtung Camp abgeschossen wurden und von denen wir bereits eine Menge gefunden hatten. Endlich ein Volltreffer! Diese Raketen würden garantiert nicht aufs Camp abgefeuert werden, und auch nicht auf eine andere Einrichtung der ISAF. Nach den gängigen Regularien verließen wir nun den Ort des Geschehens. Wir hatten mit dem Zugriff und der Sicherung innerhalb des Gebäudes unsere Pflicht erledigt. Nun übernahmen die Profis für die Spurensicherung, die deutschen Feldjäger, das Objekt und begannen den Fund zu dokumentieren und auszuwerten. Jahre später erfuhr ich, dass diese Operation den Feldjägern auf die Fahnen geschrieben wurde. Fakt aber ist: Diese Arbeit leistete damals die Kompanie 104 der niederländischen KCT.
    Dieser Erfolg wirkte sich natürlich sehr positiv auf die Stimmung im Team aus. Nach gerade mal einer Woche im Land einen solchen Erfolg zu landen, stärkt natürlich die Moral und das Selbstwertgefühl. Es wurde nun wieder über Paghman diskutiert. Die Verbindung zur Bevölkerung war inzwischen durch

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