Endstation Kabul
und zog sein Funkgerät aus dem Gürtel. Er entfernte sich ein paar Schritte, vermutlich wegen unseres Sprachmittlers, und begann in das Gerät zu murmeln. Wir waren gespannt. Hatten wir es geschafft, durch diese Aktion genug Aufmerksamkeit zu erregen? Wurden wir nun von Janjalani zum Gespräch eingeladen? Mein Herz schlug jetzt noch schneller als in der Nacht, während des Aufstiegs. Leider verstanden wir nicht, was am Funk besprochen wurde. Doch dann kam der Wachmann zurück und fragte uns, ob wir Zeit und Lust hätten, nach oben zu fahren und dort einen Tee mit dem Hausherrn zu trinken. Wir alle entspannten uns sichtlich. Zumindest einen Fuß hatten wir schon mal in die Tür bekommen. Andrik bedankte sich für die freundliche Einladung, die er gerne annahm. Als sich das Tor der Straßensperre vor uns öffnete, spürten wir ein Hochgefühl in uns aufsteigen. Und so begannen wir heute schon zum zweiten Mal – nun allerdings mit Fahrzeugen auf dem Weg – den Aufstieg auf das Plateau.
Während der Fahrt funkten wir untereinander und tauschten uns aus, wie es wohl weitergehen würde. Taten wir das Richtige? Was würde uns dort oben erwarten? Gingen wir mit der Annahme der Einladung ein zu hohes Risiko ein? Im Moment bewegten sich in diesem Gebiet keine anderen ISAF-Patrouillen, die uns zu Hilfe hätten eilen können. Wir hatten zwar Funkverbindung zum Camp und hielten unsere Meldezeiten ein. Alle halbe Stunden gaben wir unsere Koordinaten durch, damit unsere OPZ lückenlos über die Bewegungen der Patrouillen Bescheid wusste – aber das war es auch schon. Eine ziemlich spärliche Lebensversicherung, für diesen Augenblick.
Als wir oben angekommen waren, stand bereits ein kleines Begrüßungskomitee, bestehend aus zwei Leuten, vor dem Gebäude. Mehrere Afghanen lugten allerdings aus dem kleineren Gebäude, das wir am Morgen mit Aufklebern verschönert hatten, und musterten uns neugierig. Einer der beiden Männer kam auf uns zu und übernahm die Vorstellung. Was er sagte, war genau nach unserem Geschmack: Herr Janjalani sei sehr erfreut über unseren Besuch und es sei ihm eine Ehre, Tee mit unserem Teamführer zu trinken. Er war also nicht nur da, sondern auch bereit für ein Gespräch. Bingo!
Andrik und der stellvertretende Teamführer Bas sowie unser Sprachmittler folgten dem Mann in das Gebäude. Das restliche Team musste natürlich draußen bleiben, schließlich ging es hier nicht um ein geselliges Teekränzchen. Ich sah mich um und prägte mir die Örtlichkeiten ein: den Hof, die Lage der beiden Gebäude, sogar die Anzahl der Fenster. So nah waren wir bisher noch nicht gekommen, erst recht nicht bei Tageslicht. Also achtete ich auf jedes wertvolle Detail in meiner Umgebung. Die anderen afghanischen Männer auf dem Hof beäugten uns sehr interessiert, waren sehr höflich und respektvoll. Natürlich boten wir, zumindest die Raucher, Zigaretten an, die dankbar und unter vielen kleinen Danksagungen und Verbeugungen angenommen wurden. Da wir nur einen Sprachmittler dabeihatten und dieser drinnen die Unterredung mit Janjalani dolmetschte, konnte sich leider kein Gespräch entwickeln, was ich sehr bedauerte. Es wäre sicher interessant gewesen, sich mit den Männern zu unterhalten. Und wer weiß, was wir dabei alles zusätzlich hätten herausbekommen können.
Nach einer guten Dreiviertelstunde kamen unsere drei wieder aus dem Haus heraus und gaben das Zeichen für den Aufbruch. Andrik saß in dem anderen Fahrzeug und teilte uns über Funk mit, dass er und Bas sehr sicher seien, die Zielperson getroffen zu haben. Im Vorfeld vor solchen oder ähnlichen Operationen bekam man immer Bildmaterial von verschiedenen wichtigen Personen zur Verfügung gestellt. Also auch von Khaddafy Janjalani. Den Mann, mit dem sie eben Tee getrunken und gesprochen hatten, konnten sie anhand der Fotos in dieser Mappe zweifelsfrei identifizieren. Der Inhalt des Gesprächs war eher belanglos gewesen, wie er meinte. Janjalani habe sich unter Schmunzeln bedankt, dass sie ihm die Lektüre der ISAF-Zeitung ermöglicht hatten, und sprach seinen Respekt für diese Aktion aus. Eine Sache war dann allerdings doch sehr interessant. Herr Janjalani bekundete sein Interesse, mit einem hohen Vertreter von ISAF zu sprechen. Sie versprachen ihm, diese Bitte weiterzuleiten und auch weiterhin Kontakt zu halten. Wir hatten also nicht nur einen Fuß in der Tür, sondern sie auch zumindest einen Spalt weit aufgestoßen.
Unsere OPZ begrüßte uns bei einer
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