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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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unsere häufigen Besuche sehr gefestigt. Einmal hatten wir, noch mit dem alten Team, eine Patrouille bewusst auf den Freitag gelegt, der in muslimischen Ländern unserem Sonntag entspricht, um die Gegebenheiten noch besser kennenzulernen. Der idyllische Eindruck des Ortes wurde dabei noch getoppt. Es war, als fuhren wir in eine Oase der Glückseligkeit: Viele Familien hielten sich zum Entspannen an dem Bach am Ortsrand auf. Die bärtigen Familienoberhäupter saßen gebettet auf Kissen mitten auf den kleinen Inseln im Fluss, die Frauen bereiteten emsig Fleischspieße zum Grillen vor, spielende Kinder tobten über die Wiese und kletterten auf den Bäumen am Ufer herum. Einige Männer hatten kleine Swimmingpools gebaut, indem sie den Bach an schmalen Stellen mit Planen ausgelegt und so das Wasser angestaut hatten. Mit Lendenschurz und ihren Kindern im Arm planschten sie vergnügt vor sich hin.
    Viele winkten uns freundlich zu und forderten uns auf, mit ihnen zu essen. Von der sagenhaften Gastfreundschaft der Afghanen hatten wir bislang nur gehört. Nun hatten wir alle Hände voll zu tun, das gegrillte Fleisch, Obst und Nüsse auszuschlagen. Wir wollten nicht unhöflich sein, mussten aber aufpassen, dass wir uns keine Magenprobleme zuzogen. Doch wir hatten eine andere Idee, wie wir an dem bunten Treiben der Paghmaner teilnehmen und unsere Freundschaft demonstrieren konnten. Joris hatte seine Gitarre eingepackt, Theo sogar sein Didgeridoo. Und so suchten wir uns ein Plätzchen am Ufer des Baches und musizierten und tanzten dazu. Sogar ein paar afghanische Männer wiegten sich im Takt. Weil er so wild getanzt hatte, zog Gerrit sich bis auf die Unterhose aus und hüpfte – unter dem Gekicher der afghanischen Frauen – in den Bach, um sich ein wenig abzukühlen. Ich brauche wohl nicht zu betonen, wie viel Spaß uns dieses Peacekeeping an diesem Flüsschen in Paghman machte.
    So gern gesehen wir in Paghman inzwischen waren – eine Verbindungsaufnahme zu Janjalani, dem Führer der Abu Sayyaf und Hausherr im Bezirk Paghman, war bisher gescheitert. Das neue Team sollte da ansetzen, wo das alte aufgehört hatte. Schnell wurde mir klar, dass dieses Team noch wesentlich »schmerzfreier« war als die alte Gruppe. Mein Teamführer Andrik präsentierte nämlich einen verwegenen Plan: Wir sollten bei Nacht im Landmarsch das Anwesen von Janjalani ansteuern. Vorbei an allen Wachposten sollten wir bis zum Haus vordringen, dann aber ohne tatsächliche Kontaktaufnahme wieder abziehen. Allerdings sollten wir dort etwas hinterlassen – als Beweis, dass wir da gewesen waren. Und er hatte auch schon eine gute Idee, was das für ein Gegenstand sein könnte.
    Dieser Gedankenblitz war ihm gekommen, als er sich daran erinnerte, dass wir bei unseren Patrouillen ISAF-Zeitungen verteilen sollten. Dieses Blättchen kam alle zwei Wochen auf Dari, Paschtu, Deutsch und Englisch heraus. Es enthielt vor allem viele Bilder, weil viele Afghanen nicht lesen und schreiben können. Auf den Fotos waren die Ergebnisse von Hilfsaktionen wie neu gebohrte Brunnen und eröffnete Schulen zu sehen; so wollte man eine gute Stimmung in der Bevölkerung für die Arbeit der ISAF erzielen. Für die Planung der Zeitung waren eine Handvoll Offiziere vom Presseinformationszentrum der Bundeswehr abgestellt, die zusammen mit einheimischen Redakteuren in einem Büro in der Stadt arbeiteten. Die Bevölkerung war total wild auf dieses Käseblatt, deshalb konnte man die Exemplare auch nicht verteilen, sondern musste sie in die Menge werfen, um nicht überrannt zu werden. Wir fanden die Idee genial. Wenn wir gedeckt bis zu Janjalanis Haus kommen und dort ISAF-Zeitungen hinterlassen würden, hätten wir uns garantiert seinen Respekt verdient. Bei den Afghanen erreichte man immer etwas, wenn man sie durch eine etwas gefährlichere Aktion beeindruckte. Vielleicht, so war die Überlegung, nimmt er dann eher Verbindung mit uns auf, alleine schon aus Neugier.
    In der Nacht des 9. August verlegte unser Team sehr früh in den Bezirk Paghman. Laut Absprache mit der niederländischen OPZ wurde ein zweites Team »standby« gehalten, um uns im Bedarfsfall zu unterstützen. Weit genug von jedweder Behausung bezogen wir Stellung und sondierten das Gelände. Alles war ruhig und still. Gegen zwei Uhr morgens machte sich unser Team auf den Weg zu dem Anwesen, zwei Soldaten blieben zur Sicherung bei den Fahrzeugen. Am Hauptzufahrtsweg wäre eine versteckte Annäherung nicht möglich gewesen, da das

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