Endstation Kabul
Dort erwartete ihn ein Hubschrauber, der ihn zum KSK nach Bagram brachte. Ein unspektakulärer, aber stressiger Tag ging für uns zu Ende.
Marcel, Oli und Björn von den Fernspähern und ich hatten einen neuen Auftrag vom Geheimdienst. In den nächsten Tagen sollten wir in ein Industriegebiet von Kabul verlegen. Dort sei eine laborartige Einrichtung entdeckt worden, die niemand zuordnen könne. Möglicherweise sei dieses Labor dafür angelegt, chemische oder biologische Waffen zu produzieren. Nach meiner Erfahrung vom letzten Mal fragte ich: »Bekommen wir ein Backup?« Wie aus der Pistole geschossen kam ein klares »Nein«. Wieder sollten so wenige wie möglich über diese Operation informiert sein. Das konnte ja heiter werden! Wenigstens hatten wir vier ein paar grundsätzliche Dinge wie Türaufstellung und das Eindringen in einen Raum geübt. So ein Desaster wie beim Kauf der vermeintlichen »Stinger«-Raketen wollte ich kein zweites Mal erleben.
Nachdem wir zugesagt hatten, erklärte uns der Geheimdienstler, das besagte Labor sei in einer Mehlfabrik. Dort ragten kleine Schornsteine bzw. Metallrohre zur Ab- oder Zuluft in regelmäßigen Abständen aus dem Boden, was einer Humint-Kraft ungewöhnlich vorgekommen war. Wir waren gespannt, aber auch nervös. Was wohl würden wir dort finden? Wenn dort tatsächlich B- oder C-Waffen wären, hätten wir nichts zu lachen. Ich fragte nach Schutzanzügen und Atemschutz. Fehlanzeige. Es reiche unsere persönliche Schutzausstattung, die jeder Soldat am Mann trage, war die Antwort. Am Abend vor dem Einsatz überprüfte ich meine ABC-Schutzmaske. Der Filter und die Gummidichtung schienen okay zu sein. Hoffentlich!
Am nächsten Tag fuhren wir in das Industriegebiet und sondierten zunächst das nähere Umfeld. Die Humint-Kräfte wiesen uns in die Lage vor Ort ein und zeigten uns die ominösen Rohre, die in unmittelbarer Nähe zu dieser Fabrik aus dem Boden ragten. Wir mussten also in die Fabrik, um einen Zugang zu finden. In der Fabrikhalle war es sehr heiß und vor allem staubig vor lauter Dreck. Etliche Arbeiter schauten uns verdutzt an, als wir die Räumlichkeiten zu untersuchen begannen. In einem Raum wurden wir fündig. Es sah aus wie in einem Fotolabor: Pfannen und Tiegel verschiedenster Art und Größe standen herum, zum Waschen von irgendwelchen Produkten. Und tatsächlich, bei einem Blick zur Decke erkannten wir auch Rohre, die nach oben verschwanden. Vermutlich genau jene Rohre, die wir von draußen gesehen hatten. Wir waren also auf der richtigen Spur! Allerdings glaubte nun keiner von uns mehr, in ein Labor zur Herstellung biologischer oder chemischer Kampfstoffe geraten zu sein. Unser Verdacht ging in Richtung Drogen. Langsam entspannte sich der Trupp, weil wir nichts weiter Verdächtiges fanden. Eine Befragung der Arbeiter schied aus, da wir keine Sprachmittler dabeihatten, wegen der Geheimhaltung unserer Operation. Also meldeten wir unsere Vermutung den Humint-Kräften, die die Funde protokollierten.
Zurück im Camp war meine erste Maßnahme: ab unter die Dusche und die Uniform wechseln. Erst danach, geduscht und mit frischer Uniform, einen Kaffee in meiner Hand, konnte ich etwas durchatmen. Bis heute weiß ich nicht, was dort tatsächlich produziert wurde. Im Bericht hieß es: Drogenlabor. Trotzdem blieb ich vorsichtig, es könnte dort ja auch sonst was hergestellt worden sein. In den nächsten Tagen achtete ich extrem auf meinen Körper. Juckte etwas, sah ich sofort nach, ob ich mir irgendeinen Ausschlag eingefangen habe. Auch wenn das nicht der Fall war: Ein ungutes Gefühl blieb.
Unsere Operation wurde – genau wie die »Stinger«-Nummer, als Erfolg verkauft. Man hatte etwas gegen die Drogen getan. Dass die Pfannen zum Auswaschen von irgendwas bereits verstaubt und trocken waren, interessierte anscheinend niemanden. Bis heute schüttelt es mich, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Vor allem, wenn es mich juckt oder ich einen Pickel auf meinem Körper finde, der gestern noch nicht da war. Ich bezweifle zwar, dass dort jemals an Kampfstoffen gearbeitet wurde. Aber ohne ausreichenden Schutz dort gewesen zu sein, reicht mir schon, um mich noch heute körperlich unwohl zu fühlen.
Die Stadt der ehrlosen Frauen
Der Tag des Wechsels bei den KCT stand unmittelbar bevor. Für mich hieß das schon wieder Abschied nehmen nach einem Monat sehr guter Zusammenarbeit in meinem Team. Das dritte Kontingent der Kompanie 104 kam in Kürze zur Ablösung ins Land. Ihr
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