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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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weite Überfahrt über die Route Bottle nach Bagram. Kurz bevor wir den zweiten Checkpoint erreichten, gab es einen Zwischenfall: Irgendwelche feindlichen Kämpfer feuerten aus den Bergen heraus mit Leuchtspurgeschossen in den Checkpoint. Die Besatzung des Checkpoints erwiderte unverzüglich das Feuer. Auch wir machten uns schussbereit, da wir ja voll auf diesen Feuerzauber zufuhren.
    Was für unser Team 4.11 recht unspektakulär war, gestaltete sich für die Neuankömmlinge vom KSK natürlich etwas dramatischer. Sie waren noch keine halbe Stunde im Land, und schon flogen ihnen Geschosse um die Ohren. Kein schöner Einstieg! Unser Fahrer gab Gas und hielt auf den Checkpoint zu, um diesen einfach zu durchbrechen, damit wir schnell die Gefahrenzone hinter uns ließen. Komischerweise hörten beide Parteien auf dem Berg und am Checkpoint auf zu feuern, als wir diesen passierten. Und schossen munter weiter, als wir einige Meter Abstand zum Checkpoint gewonnen hatten. Sehr mysteriös. Meine Kumpels und ich schauten uns verständnislos an. Was hatte das denn zu bedeuten? Schwierige Frage. Vielleicht wollte sich der Angreifer nicht zusätzlich mit unseren Maschinenwaffen anlegen. Oder wir waren in eine Privatfehde geraten, die dort ausgefochten wurde. Als wir diese beiden Optionen ausdiskutiert hatten, tauchten auch die Köpfe unserer »Gäste« wieder auf.
    Am 26. Juli stand erneut hoher Besuch auf dem Programm: Der deutsche Verteidigungsminister, Dr. Peter Struck, würde das Kontingent in Kabul besuchen. Die KCT sollten die Sicherung des sogenannten äußeren Rings um die Schutzperson übernehmen. Heißt also nicht direkt an der Person, sondern etwas abgesetzt – eher mit Schwerpunkt auf Bewegungen außerhalb des engen Sicherheitskordons, der um den Minister selbst gezogen wurde. Am Flugplatz sollten Scharfschützenteams das Umfeld beobachten und absichern. Auch unser Team wurde dort eingesetzt. Ich lag direkt neben der Landebahn auf einem circa fünfzehn Meter hohen Beleuchtungsmast, an dessen Spitze sich eine kleine Plattform befand. Meine Hauptbeobachtungsrichtung verlief links der Landebahn, mit Schwerpunkt auf einem ehemaligen, teils zerbombten Bürogebäude in etwa hundert Metern Entfernung.
    In diesem Gebäude hatten sich mehrere Rückkehrer-Familien aus Pakistan häuslich niedergelassen. Kabul platzte aus allen Nähten. Diese Stadt, einstmals für etwa 800000 Menschen konzipiert, wuchs nach dem Ende des Taliban-Regimes in wenigen Jahren auf über drei Millionen Einwohner. Deshalb wurde jede Ruine in Beschlag genommen. Ich lag seit drei Stunden dort oben auf meinem Lichtmast. Auf das Plateau aus Gitterrost hatte ich mir eine Isomatte gelegt und meinen Poncho über mich gebreitet, damit ich nicht in der Sonne verbrutzelte. So lag ich da, mit meiner Waffe im Anschlag, und achtete auf Bewegungen in den Fenstern des Gebäudes, was nicht ganz einfach war. Vor einigen Fenstern befanden sich nämlich Gardinen, hinter denen nicht mal Schemen zu erkennen waren.
    Endlich wurde die Maschine über Funk angekündigt, und schon sah ich sie am Horizont in den Sinkflug übergehen. Ich konzentrierte mich nun ausschließlich auf mein Objekt. Die Transall landete und rollte auf den Taxiway. Rasch wurde die kleine Gangway mit zwei, drei Stufen herangerollt, und Struck stieg mit seinen Personenschützern und seinem mitgereisten Staatssekretär aus. Der deutsche General salutierte, dann begrüßte er den Verteidigungsminister noch auf zivile Art per »Shakehands« und leitete ihn und seinen Tross zügig zu den gepanzerten Fahrzeugen. Meine Anspannung ließ etwas nach, nachdem die Prominenz in die Fahrzeuge gestiegen und somit aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich war. Ich verständigte mich mit meinen Jungs über Funk. Einige meiner niederländischen Kameraden hatten auf dem Dach des von mir beobachteten Hauses gelegen, und auch deutsche Scharfschützen waren an allen möglichen Stellen in der Umgebung postiert gewesen.
    Wir gaben nun sehr zügig unsere Sicherheitsbereiche auf und liefen zu unseren Fahrzeugen, um im Konvoi die uns zugeteilten Positionen einzunehmen. Mit hoher Geschwindigkeit brauste der Konvoi die Jalalabadroad Richtung Camp Warehouse entlang. Im Camp lief dann wieder die unvermeidliche »Monkey-Show«: aufgehübschte Präsentationen und geschönte Gespräche. Auch das Verpflegungszelt war komplett gesperrt, damit die Herren ungestört speisen konnten. Noch am gleichen Tag geleiteten wir Struck zurück zum Flughafen.

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