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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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einmal einem Monat. Diese Übelkeit und Kopfschmerzattacken brauchte ich offen gestanden nicht noch einmal, und dann vermutlich in potenzierter Form, bei dieser Wahnsinnshöhe ohne Sauerstoffmaske und mit dreißig Kilo Gepäck am Leib. Zur Vorsorge warfen wir uns schon am Tag vorher Aspirin in rauen Mengen ein, was ja im Falle einer Schussverletzung kontraproduktiv gewesen wäre, weil dann das Blut wegen des verminderten Gerinnungsfaktors nur so aus einem herausgeschossen wäre. Aber wir wischten unsere Bedenken beiseite. Pragmatismus ging uns in diesem Fall vor Risiko. Verstohlen packte sich vor dem Aufbruch jeder noch eine zusätzliche Packung Kopfschmerztabletten ein. Wir wussten ja nicht, ob unsere vorsorgliche Selbstmedikation wirken würde. Bei circa 4500 Höhenmetern war dann auch tatsächlich erst mal Endstation: Unsere Fahrzeuge kamen nicht mehr weiter auf den unwegsamen und immer steiler werdenden Straßen, die diesen Namen kaum verdient haben.
    Bis dahin hatten wir Wege genutzt, die serpentinenartig am Berg verliefen und sehr schmal waren. In sehr engen Kurven ragte immer wieder der hintere Teil des Fahrzeugs über den Abgrund, der teilweise sehr steil in die Tiefe abfiel. Das Rangieren unter diesen Umständen war alles andere als einfach. Der lange Mercedes-Wolf mit seinem starken Motor war voll beladen. In Metallkörben an der Seite war unsere gesamte Ausrüstung verstaut, zusätzlich gab es Halterungen für Wasser und Treibstoffkanister. Außerhalb dieser Halterungen waren zusätzlich Lochbleche befestigt, die dazu dienten, den teilweise sehr brüchigen Untergrund zu stabilisieren. Der technische Ingenieur der Deutschen hätte seine Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, doch bei den Holländern war man etwas pragmatischer. In der Mitte des Wolfs, hinter den beiden Plätzen für den Fahrer und den Beifahrer, befanden sich noch ein 360 Grad schwenkbarer Turm für das schwere Maschinengewehr, außerdem Metallbänke für die Besatzung im hinteren Teil. Für diese Tour hatten wir noch zwei Ersatzreifen dabei, was zur Folge hatte, dass die Besatzung im hinteren Teil kaum Platz hatte und bei jeder Unebenheit das Gewicht verlagern musste. Alle hinten Sitzenden mussten bei der Anfahrt auf den Berg fast so aufmerksam sein wie der Fahrer. Als wir diese Kfz-Akrobatik bis zum Gehtnichtmehr ausgereizt hatten, reichte es mir fürs Erste. Weil mein Kopf bereits zum Platzen gespannt war und ohnehin jemand zur Sicherung bei den Fahrzeugen bleiben musste, meldete ich mich freiwillig für diesen Job. Statt weiter mit aufzusteigen, würde ich mit Lambert dort bleiben.
    Die anderen sechs aus dem Team machten sich an den beschwerlichen Aufstieg von weiteren hundert Höhenmetern bis zum Gipfel dieses Berges. Doch unsere vermeintlich ruhige Aufgabe als Wache bei den Fahrzeugen brachte Lambert und mich noch gehörig ins Schwitzen. Und zwar nicht nur, weil die Sonne dort oben noch stärker brannte als unten im Tal. Von der unmittelbar bevorstehenden brenzligen Situation konnten wir zu dem Zeitpunkt aber noch nichts wissen. Jetzt sorgten wir uns erst mal, dass sich zu den Kopfschmerzen nicht noch ein Sonnenstich gesellte. Deshalb wollten wir uns gleich ein schattiges Plätzchen unter den Fahrzeugen suchen. Wir legten unsere kugelsicheren Westen ab und beobachteten die friedlich grasenden Ziegenherden. Ich beneidete diese Tiere, denen die Höhenluft und die heftige Sonneneinstrahlung nichts auszumachen schien. Dann wollten Lambert und ich noch eine kleine Runde zur Erkundung des Nahbereichs drehen, um eventuelle Überraschungen auszuschließen. Doch da war es schon geschehen.
    An einer Wegbiegung standen plötzlich acht bewaffnete Afghanen vor uns. Scheiße! Lambert und ich blieben wie vom Blitz gerührt stehen. Warum, verdammt, hatten wir schon unsere kugelsicheren Westen ausgezogen? Nachdem wir den ersten Schock recht schnell überwunden hatten, wanderte meine Hand intuitiv langsam in Richtung meiner Pistole, die ich in einem Beinholster trug, aber jetzt nicht ziehen konnte. Bei zwei gegen acht hätten Lambert und ich unweigerlich den Kürzeren gezogen. Die verwegen aussehenden, schwerbewaffneten acht Gestalten uns gegenüber waren genauso irritiert wie wir. Auch sie erstarrten und sahen zu uns herüber, aus etwa zwanzig Metern Entfernung. Nun sollte sich ein Geduldsspiel entwickeln, das ich mir im Traum nicht ausgemalt hätte. Nichts und niemand bewegte sich, als wäre die Zeit angehalten worden. Die acht Afghanen und wir

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