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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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waren dies doch hervorragende Möglichkeiten für einen potentiellen Angreifer, uns einen Hinterhalt zu legen. Die ISAF-Truppen und auch wir versuchten diese Friedhöfe zu vermeiden, aus religiösen und Respektsgründen.
    An diesem Tag aber fuhren wir auf einem dieser Wege tiefer in das Friedhofsareal hinein. Schon bald sahen wir relativ ausladende Löcher in den Wänden. Sie sahen aus wie Tunneleingänge, die unter den Friedhof führten. Wir wurden neugierig und hielten an, um uns eine dieser Öffnungen etwas genauer anzusehen. Dann die Überraschung: Ein ziemlich großer Raum lag im Innern verborgen. Wir wussten nicht, was wir davon halten sollten, entschieden uns dann aber – Friedhof hin oder her – tiefer einzudringen. Mit religiösen Praktiken schienen diese Räume nämlich nichts zu tun zu haben. Als wir in die nächste, dahinterliegende Kammer vordrangen, fanden wir Kisten, prall gefüllt mit Munition. Plötzlich sahen wir diese Friedhöfe in einem anderen Licht. War irgendeine Terrorgruppe so clever, auf diesem Friedhof ihre Munition oder auch Waffen zu verstecken? Oder standen wir vor alten Munitionsresten, die einfach dort vergessen worden waren? Wir begannen, unseren Fund zu dokumentieren. Dieser Vorfall führte uns wieder einmal vor Augen, auf was für einem schmalen Grat wir uns bewegten. Solche brisanten Funde konnten wir nur machen, wenn wir einen Tabubruch begingen, sprich: uns auf den Friedhöfen bewegten.
    Bei einer Nachtpatrouille zwei Tage später war ich als Führer eingeteilt. Dieser war daran zu erkennen, dass er im Führungsfahrzeug rechts neben dem Fahrer saß. Ich freute mich, dass meine Kameraden heute mich dazu erkoren hatten, bekam aber auch ein leichtes Zittern. Ich hoffte, dass ich alles richtig machen würde. Unsere Aufgabe war, während der Sperrstunde, die jede Nacht von 22 bis fünf Uhr galt, die Checkpoints der afghanischen Polizei zu überprüfen. Wir sollten unter anderem eruieren, ob das Personal an den Checkpoints unter Drogen stand. ISAF und die Bundeswehr hatten gerade eine Menge Material an die afghanische Polizei übergeben. Dies reichte von Taschenlampen über Funkgeräte bis hin zu Fahrzeugen deutscher Produktion. Nun sollten wir kontrollieren, ob dieses Material auch dort eingesetzt wurde, wo es gebraucht wird. Einige deutsche Patrouillen hatten nämlich berichtet, Chefs kleinerer Polizeidistrikte hätten sich bei ihnen beschwert, von dem Material sei nichts bei ihnen angekommen. Nicht eine einzige Taschenlampe, erst recht kein Funkgerät. Beim gezielten Nachfragen kam heraus, dass diese Dinge offensichtlich in den größeren Distrikten gehortet und nur an höhere Polizeioffiziere übergeben wurden.
    Um 22 Uhr setzte sich unsere Patrouille in Gang. Während der Ausgangssperre fuhren eigentlich nur Fahrzeuge der ISAF-Patrouille durch Kabul. Kaum waren wir am ersten Kreisverkehr angekommen, schallte uns auch schon das unvermeidliche »Dreeeeesch!« (Halt!) entgegen. An allen großen Straßen und Kreiseln standen je zwei Polizisten zur Kontrolle. Nach Austausch des aktuellen Passwortes durfte man passieren. Erstaunlicherweise klappte die Weitergabe dieses Passwortes jeden Abend gut, wenn man bedenkt, wie schlecht die Infrastruktur, die Telefone und Funkgeräte der Polizei, aber auch die Sprachkenntnisse der meisten Afghanen waren.
    Da erschien auch schon im Lichtkegel des Scheinwerfers ein afghanischer Polizist mit einer AK-47, einer Kalaschnikow, im Anschlag und zielte auf uns. Diese Vorgehensweise der einheimischen Polizei missfiel uns allen. Dies war immer ein Moment, in dem sich alle meine Muskeln anspannten. Mit dem Wissen um die Vorlieben für Betäubungsmittel in den Reihen der afghanischen Polizei warteten wir angespannt, ob sie gleich zu schießen begannen. Wir hatten eine ganz eigene Art entwickelt, um auf diese Unsitte zu reagieren. Unsere Waffen waren mit einem Laser ausgerüstet. Dieser befand sich rechts neben der Mündung und war so justiert, dass man im Nahbereich auch dort traf, wo der Laser hinzielte. Als der Polizist uns ins Visier nahm, flackerten mindestens vier Laserzielpunkte auf seinem Körper auf. Irritiert schaute er an sich runter und ließ langsam seine Waffe sinken. Es hatte sich offensichtlich herumgesprochen, was diese roten Punkte zu bedeuten hatten.
     
    Am nächsten Tag fand dann mein Gespräch mit dem Rechtsberater statt. Mein Disziplinar-Vorgesetzter, ein Hauptmann der Aufklärungskompanie, begleitete mich zu diesem Gespräch im 4.

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