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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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Prinzip des afghanischen Ehrenkodex. Wir konnten nun sicher sein, dass uns nichts passieren würde.
    Der Anführer der Afghanen zog eine sehr große Landkarte mit russischer Schrift aus seiner Tasche. Nachdem er diese ausgebreitet hatte, pochte er mit seinem Finger nachdrücklich auf einen Ort, der sehr weit westlich von Kabul lag. Dabei wiederholte er immer wieder ein Wort, das uns sofort aufhorchen ließ:
    »Taliban! Taliban!«, sagte er immer wieder. Weil wir den Ortsnamen aufgrund der kyrillischen Schriftzeichen nicht entziffern konnten, versuchten wir, uns den Ort anhand des Koordinatengitters einzuprägen, und nickten freundlich zu seinen Worten. Der Afghane nickte befriedigt. Jetzt wollte ich versuchen, noch ein bisschen mehr aus ihm herauszubekommen. Ich zählte die Finger meiner rechten Hand ab und pochte fragend auf den Ort in der Karte. Der alte Mann – obwohl man das bei Afghanen nicht so gut schätzen kann, zumindest kam er mir sehr alt vor – breitete seine Arme aus. Eine ganze Menge, entnahmen wir dieser Geste. Lambert und ich nickten, dass wir verstanden hätten.
    Nach etwa fünfzehn Minuten »Gespräch« mit Händen und Füßen, wobei wir es schafften, den Hirsefladen dankend abzulehnen, da wir der afghanischen Küche noch immer skeptisch gegenüberstanden und nichts riskieren wollten, kamen unsere sechs Kameraden von ihrer Erkundungstour auf den Gipfel zurück und staunten nicht schlecht, als sie uns da mit einem Trupp Afghanen hocken sahen. Nach dem obligatorischen Zeigen unserer Waffen verabschiedeten sich die acht Afghanen und zogen weiter ihrer Wege, in den Distrikt Paghman hinein, also nach Westen.
    Während Lambert den anderen erklärte, was wir in den letzten zwei Stunden erlebt hatten, nahm ich mir meine Karte zur Hand. Anhand der Koordinaten erkannte ich, dass es sich bei dem mutmaßlichen Nest der Taliban um eine Ortschaft namens Mayda handeln musste. Ich kennzeichnete diesen Ort in der Karte und setzte das taktische Zeichen für Feindkräfte daneben. Wir wussten zwar nicht, wer diese acht Afghanen waren und ob sie uns eine zuverlässige Information gegeben hatten. Wären sie uns feindlich gesinnt gewesen, hätten sie uns aber gewiss nicht eingeladen, sondern einen Kopf kürzer gemacht. Eher gingen wir davon aus, dass sie eine Patrouille aus diesem Gebiet waren. Am liebsten hätten wir uns sofort in Richtung Mayda aufgemacht, um diesem Hinweis auf den Grund zu gehen. Wir waren neugierig geworden und hofften, dass wir bald einen Auftrag zur Aufklärung dieses Gebietes, das außerhalb der AOR lag, bekämen. Zurück im Camp meldeten wir die neuen Erkenntnisse an unsere OPZ. Wir bekamen jedoch keine Zusage für eine Aufklärung Richtung Mayda, um die wir regelrecht bettelten. Wie konnte man diesen exklusiven Tipp der Afghanen nicht für sich nutzen?, fragte ich mich. Doch unsere OPZ wollte erst mit den Oberen der KMNB Rücksprache halten.
    Bei der Besprechung in unserer OPZ bekamen wir unser Einsatzgebiet für die Massud-Tage zugewiesen. Morgen sollten wir dort mit dem gesamten Team für Erkundungen hinfahren. Wir waren genau neben einer Moschee eingesetzt, fast zentral in der Stadt. Am Abend hatten wir noch ein geselliges Beisammensein, bei dem Lambert und ich immer wieder unsere Story mit den acht Afghanen erzählen mussten. Die Kopfschmerzen, die wir von unserem Bergtrip mitgebracht hatten, bekamen wir mit je zwei Dosen Bier recht gut in den Griff.
    Am nächsten Morgen fuhren wir los in Richtung Moschee. Das Wichtigste war heute, eine Örtlichkeit zu finden, in der wir während der gesamten Einsatzzeit Stellung beziehen könnten. Neben dem eher schlichten Gotteshaus befand sich ein großer Marktplatz, etwa hundert Meter entfernt lagen mehrere Ruinen. Für unseren Auftrag erschienen sie ideal. Wir behielten diese zerfallenen Häuser im Blick, konnten aber über viele Stunden keine Bewegungen an diesen Gebäuden ausmachen. Das war schon mal eine gute Voraussetzung für eine Stellung, konnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass diese Ruinen vermint waren. Am späten Nachmittag entschlossen wir uns, einen vorsichtigen Vorstoß auf eines der Gebäude zu machen.
    Ein zweistöckiges ehemaliges Bürogebäude schien uns ein geeigneter Beobachtungspunkt zu sein. Alle Teammitglieder, auch ich, waren ausgebildet im Erkennen von Minen und versteckten Ladungen, sodass wir es wagen konnten, in das Gebäude einzudringen. Dazu befestigten wir vorsichtig ein langes Seil an der Tür, die nach außen

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