Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
Vom Netzwerk:
während des Absetzvorgangs ihre Täuschkörper für mindestens zehn Sekunden deaktivieren müssen, um eine Gefährdung der Springer auszuschließen. Es lag, zumindest theoretisch, im Bereich des Möglichen, dass das System den fallenden Springer falsch interpretiert und automatisch die Täuschkörper ausstößt. Das war natürlich viel zu riskant für uns Springer. Eine Deaktivierung der Flares war eine schlechte Alternative, denn dann wäre der Hubschrauber jedem Angriff vom Boden schutzlos ausgeliefert.
    Wir befanden uns in einer Zwickmühle. Wir besprachen die Problemlage mit den Piloten vor Ort. Schnell wurde deutlich, dass sie nicht bereit waren, dieses Risiko für sich, ihre Besatzung und ihre Maschine einzugehen, das ein Abschalten des Täuschkörper-Systems mit sich brachte. Waren doch noch Hunderte Luftabwehrraketen-Systeme im Land. Zum Beispiel britische »Blowpipes« oder amerikanische »Stinger«, die in den 1980ern von der CIA via Mittelsmänner in Pakistan an die Mudjaheddin geliefert worden waren, damit sie sich gegen die Russen zur Wehr setzen konnten. Damit wurde unsere gesamte vorangegangene Planung hinfällig, was uns alle enttäuschte. Allerdings verstanden wir auch die Piloten und ihre Befürchtungen. Später in Deutschland, während meiner Zeit im Spezialzug, »wagte« ich einmal zu fragen, warum so viel Wert auf das Freifallspringen gelegt wird, wo es doch in einem realen Einsatz so große Schwierigkeiten bereite. Ich wurde abgekanzelt und hielt daraufhin meine Klappe. Manche waren halt unbelehrbar. Also wieder in die Fahrzeuge und weiter mit der normalen Aufklärung über Land.
    Wie bei unseren letzten Besuchen konnten wir uns über die Effizienz der Alarmierung per Handy-Kette ein sehr gutes Bild machen. Die Leute in der Gegend waren also schneller über unser Kommen unterrichtet, als wir neue Erkenntnisse sammeln konnten. Unsere Idee mit den Fallschirmen hatte schließlich ihren Grund gehabt. Ernüchtert und enttäuscht machten wir uns bei Beginn der Dämmerung auf den Rückweg zum Camp.
    Am nächsten Tag absolvierten wir einige Sondertrainings, da sich ein sehr hoher niederländischer General zu Besuch angemeldet hatte. Die KCT-Einsatzkräfte wurden zum Personenschutz des Generals eingeteilt. Und so übten wir den ganzen langen und heißen Tag bestimmte Vorgehensweisen bei Angriffen auf unsere Schutzperson. Dabei lernte ich neue Techniken und Taktiken der Niederländer kennen. Ich freute mich sehr über diese Bereicherung und war mit Feuereifer bei der Sache. Zum Ende des Tages fand dann noch eine Leistungsüberprüfung statt. Dazu gehörten der Umgang mit allen vorhandenen Waffen und die verschiedenen Vorgehensweisen bei den unterschiedlichen Einsatzszenarien. Auch das Sprengen und Schießen aus Luftfahrzeugen stand auf dem Programm. Alles in allem also ein anspruchsvolles und intensives Training.
    Dann war der Tag des hohen niederländischen Besuchs gekommen, und wir verlegten zum KIA. Mit ruhiger Präzision nahm das Kommando seine Formation ein. Nach der Begrüßung fuhren wir zum Camp. Alles verlief bestens, und auch der niederländische General zeigte sich beeindruckt von unserer Arbeit. Dem Briefing des Generals wohnten nur die Teamführer und Captain Hemskerk bei – wohl aus einem ganz besonderen Grund, wie ich heute weiß. Die KCT hatten bereits einige Wochen zuvor dem niederländischen Verteidigungsminister bei einem Besuch verschwiegen, wie es mit uns Deutschen zusammenarbeitete. Auch über die Operationen außerhalb des Mandatsgebiets wurde der oberste Befehlshaber nicht informiert. Inzwischen werden diese Praxis und die Einsätze der KCT in der Tweeden Kamer, dem niederländischen Parlament, sehr hitzig diskutiert. Mit Ausnahme der Politiker der konservativen Partei kritisieren alle Fraktionen, dass das Parlament von den Militärs hinters Licht geführt worden sei und folglich die Mandate unter falschen Voraussetzungen erteilt habe. Nun muss der amtierende Verteidigungsminister die Kohlen für seinen Vorgänger aus dem Feuer holen.
     
    Am 2. September 2002 sollte das Kommando einen neuen »Höhenrekord« aufstellen. Wir waren ja bereits im Distrikt Paghman auf einen Berg von 4100 Metern Höhe gestiegen. Nun sollten wir die Gegebenheiten auf einem Berg aufklären, der noch ein paar Meter höher lag: Es sollte hinaufgehen auf mindestens 4600 Meter. Wir schluckten alle. Hatten wir doch noch lebhaft vor Augen, wie es uns allen bei der letzten Bergtour ergangen war, vor noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher