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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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Schläfrigkeit und Langeweile machen sich breit. Manchmal wünscht man sich fast, dass etwas passiert, nur um sich im nächsten Moment klarzumachen: Spinnst du? Dir so etwas vorzustellen! Deshalb ist der Schichtwechsel auch so wichtig, um leistungsfähig zu bleiben. Ich war heilfroh, als ich nach meiner Schicht gegen 13 Uhr abgelöst wurde und ich mich im hinteren Bereich des Gebäudes wenigstens etwas bewegen konnte. Das Essen, natürlich nur Epa, ist bei solchen eintönigen Aufträgen immer das Highlight des Tages, was ja Bände spricht. Ich machte mir Nudeln warm und legte mich dann ein wenig aufs Ohr.
    Als Pieter und ich um 16 Uhr wieder mit Beobachten dran waren, erfuhr ich, wie es meinen beiden Kumpels in den letzten drei Stunden ergangen war. Sie instruierten uns darüber, was vorgefallen war. Nämlich nichts! Alles war ruhig, keine Auffälligkeiten weit und breit. Pieter und ich gingen in Stellung. Wir rückten unsere Körper im Versteck zurecht, stellten die Optiken ein und warteten fast bewegungslos darauf, dass die drei Stunden vorbeigingen. Nach einer Stunde Beobachtung ohne nennenswerte Vorkommnisse gab es plötzlich einen Knall. Im ersten Moment dachte ich, da wird wohl ein Auto fehlgezündet haben, bei den alten Karren war das keine Seltenheit. Doch dann wurde es hektisch. Auf dem Marktplatz liefen aufgeregt schreiende Menschen umher. Ich ging schnell zu meinen beiden Kollegen in Ruheposition und alarmierte sie, dass etwas vorgefallen war. Links von uns, leicht verdeckt von einem Gebäude, waberte nun auch Rauch über den Platz. Was tun? Sollten wir unser Versteck verraten, um nachzusehen, was dort vorgefallen war? Oder sollten wir erst mal abwarten und den Vorfall an unsere OPZ melden? Wir entschieden uns für Letzteres und bekamen gesagt, dass wir erst mal ruhig abwarten sollten.
    Auf dem Marktplatz herrschte alles andere als Ruhe. Die Menschen strömten noch immer neugierig zu dem Ort der Detonation. Wir konnten uns keinen Reim auf die Sache machen. Das Gebäude am linken Rand des Marktplatzes verdeckte uns die Sicht auf den Ort des Geschehens. Verflucht, wir konnten einfach nichts erkennen und stellten darum Spekulationen an. Es konnte keine sehr starke oder große Detonation gewesen sein, falls es überhaupt eine war. Dafür war der Knall zu leise gewesen, die Rauchwolke zu klein, die Menschen auf dem Markt nicht verzweifelt genug. Vielleicht war auch nur der Kühler eines Autos hochgegangen, überlegten wir und behielten die Lage im Blick. Dem widersprach das Verhalten der Menschen, die immer aufgeregter wurden. Wir waren schon drauf und dran, unser Versteck zu verlassen, um endlich einen Blick um das Gebäude links von uns zu werfen, da passierte es: Ein extrem lauter, scharfer Knall ertönte, gefolgt von einem grellen Lichtblitz. Obwohl wir etwa 250 Meter entfernt waren, spürten wir die Druckwelle und die Erschütterung wie ein Erdbeben.
    Ein kurzer Moment der Stille nach diesem gewaltigen Knall, dann setzte es ein: das Schreien der verwundeten und verängstigten Menschen, noch während das Echo der Detonation in der Ferne widerhallte. Ich dachte in diesem Moment nur: Das war’s dann wohl. Da liegen jetzt Hunderte Tote und Verletzte. Auf dem Marktplatz brach Panik aus, überall lagen blutüberströmte Körper herum, wie wir durch unsere Optiken gut erkennen konnten. Nach einigen Schrecksekunden brach unser Teamführer das betretene Schweigen. »Wir müssen jetzt da runter. Achim, mach dich fertig.« Er packte mich am Arm und zog mich hoch. Die beiden anderen sollten an Ort und Stelle verbleiben und die Funkverbindung zur OPZ und zu uns beiden halten. Mit einem sehr flauen Gefühl im Magen folgte ich ihm nach draußen.
    Als wir den Marktplatz erreicht hatten, bot sich uns ein Bild des Grauens. Blutüberströmte Menschen oder nur noch Teile von ihnen lagen überall verstreut herum. Diese Bombe hatte ganze Arbeit geleistet. Das Geschrei der Verwundeten steigerte sich von Sekunde zu Sekunde immer mehr und wurde fast unerträglich. Bis zu den Knöcheln in Blut watend, arbeiteten wir uns bis an die Stelle der Detonation vor. Ein sehr großer Krater tat sich vor uns auf. Überall lagen verbogene Metallteile herum. Getötete oder Verwundete fanden wir, so nah am Explosionsherd, nicht mehr. Diejenigen, die in unmittelbarer Umgebung der Bombe gestanden hatten, waren schlichtweg verdampft.
    Ich merkte, wie mir die Knie weich wurden. Ein Blick in das Gesicht meines Teamführers reichte, um zu ahnen, dass

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