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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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so schwer gefallen, sich zusammenzureißen und nicht in blanke Panik auszubrechen. Mit unendlichem Widerwillen tastete er am Gurt des Jackets vorbei und bekam endlich die Leine der Taschenlampe zu fassen. Als er die baumelnde Lampe heranzog, fiel der Lichtschein auf Geräte, die am Boden lagen. Ein Wust von Schläuchen führte von ihnen aus nach oben. Darin hatte er sich verheddert.
    Zuerst fiel Jo das Messer ein, das er zusammen mit dem Schnorchel im Schaft am Unterschenkel trug. Nein, das war nicht scharf genug, um einen stabilen Feuerwehrschlauch zu durchtrennen!
    Ruhe bewahren, nur Ruhe bewahren, versuchte sich Jo selbst zu beschwören. Du brauchst nicht mehr durch das ganze Schiff zurück, da oben musste eine Öffnung sein. Das Finimeter zeigte zwei Bar, Jo klopfte dagegen. Der Zeiger rührte sich nicht. Das hieß, keine Minute mehr. Ruhe bewahren, Ruhe bewahren! Jo riss an den Verschlüssen des Jackets. Zum ersten Mal in all den Jahren, die er schon tauchte, klemmten sie. Das lag wohl daran, dass seine durch die Kälte so gefühllos gewordenen Hände für feinmotorische Aufgaben kaum mehr zu gebrauchen waren. Der Zahnschmerz trieb ihn fast in den Wahnsinn.
    Beim zweiten Versuch klappte es. Er löste das Jacket vom Rücken. Ein Schlauch hatte sich unter das Ventil geklemmt. Es war kein größeres Problem, es zu lösen. Jo glitt zur Seite, wo er genug Bewegungsfreiheit hatte, das Jacket wieder anzulegen. Mit den Verschlüssen hielt er sich nicht mehr auf. Nur raus hier. Vorsichtig schwamm er zurück. Er schickte sich an, aufzusteigen und griff nach einem der Schläuche. Er war in Bewegung. Was hatte das zu bedeuten? War jemand da oben? Jo blieb keine Zeit mehr. Eine Gestalt kam heruntergetaucht. Jo hatte sich durch die Luftblasen sicher schon verraten. Er überlegte, ob es jemand von der Presse war. Die Leute von RPR hatten ziemlich viel Interesse an der Havarie gezeigt. War es die Polizei oder war es vielleicht jemand, der etwas mit den Toten im Container zu tun hatte?
    Jo wich zurück. Zu spät, der Taucher kam direkt auf ihn zu. Im schwächer werdenden Schein seiner Lampe sah er etwas in der Hand des Tauchers aufblitzen. Jo riss das Jacket vom Rücken und parierte mit einem Schlag der Flasche den Messerangriff. Sein Gegenüber wich zurück. Er hatte ihm mit der Flasche wohl eine Verletzung zugefügt. Ein zweiter Taucher war auf einmal da, ohne dass Jo ihn bemerkt hatte. Er riss Jo von hinten das Atmungsgerät aus dem Mund. Jo fuhr herum und schleuderte in der Drehbewegung die am Jacket hängende Flasche wie ein Hammerwerfer sein Wurfgerät. Als ehemaliger Diskuswerfer war die Bewegung einem Reflex entsprungen. Der zweite Taucher schoss in die Höhe. Die Flasche musste den Inflator getroffen haben, der Luft in das Jacket pumpte. Jos Lampe leuchtete eine undurchdringliche braune Wolke an. Beim Kampf waren Sand und Schmodder aufgewühlt worden. Er stieß sich vom Boden ab, eine Hand nach oben gestreckt, um eine Kollision mit der Ladeluke abzufangen und tauchte, ohne gegen ein Hindernis zu stoßen, keine Sekunde zu früh an die Oberfläche. Wie ein gestrandeter Karpfen schnappte er nach Luft.
    *
    Walde hatte Jos Luftblasen nachgesehen, die von der schnell fließenden Mosel fortgerissen worden waren. Dann war er zurück zum Auto gegangen.
    Aus dem Kofferraum nahm er das große Frottiertuch und die Decke – es war eigentlich ein Schlafsack mit kaputtem Reißverschluss – die er von zu Hause mitgebracht hatte. Er legte Jos Kleidung in der Reihenfolge, wie er sie später benötigte, auf der Rückbank bereit.
    Er nahm auf dem Beifahrersitz Platz und ließ die Beine aus dem Auto baumeln. Das leise Plätschern der ans Ufer schlagenden Wellen schläferte ihn ein.
    Das Klingeln des Autotelefons ließ Walde hochschrecken.
    Nachdem er den Knopf gedrückt hatte, schallte Ulis Stimme aus dem Lautsprecher: »Es hat ein Boot mit Tauchern angelegt.«
    »Wo?« Walde schaute auf die Uhr. Jo war schon mehr als eine dreiviertel Stunde unterwegs.
    »Am Wrack. Sie sind mit einem Schlauchboot gekommen. Ist Jo zurück?«
    »Nein.«
    »Was sollen wir tun? Sie dürfen nicht auf Jo treffen!«
    »Kannst du sie erkennen?«
    »Nein.«
    »Wie viele sind es?«, wollte Walde wissen.
    »Zwei Taucher, sie steigen jetzt ins Wasser.«
    »Oh Gott, hoffentlich ist Jo nicht mehr da drin«, stöhnte Walde.
    Uli schwieg.
    Walde überlegte, ob Jo bereits zurückgekommen war und nicht die richtige Stelle zur Landung gefunden hatte.
    Er zog eine

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