Endstation Mosel
Tabakbeutel zurück in die Tasche gleiten.
»Zwei, nein, drei Mann sind drauf.« Robs Objektiv zog mit dem Boot mit, das schnell näher kam.
Jetzt konnte Uli es mit dem bloßen Auge erkennen. In der Mitte ruderte jemand.
Zwei weitere saßen links und rechts vor ihm.
»Ein Schlauchboot«, korrigierte Rob. »Mit einem Außenbordmotor.« Rob stellte das Stativ wieder auf die Erde und korrigierte die Scharfeinstellung des Objektivs. »Was haben die zwei … Scheiße, die tragen Taucheranzüge!« Rob trat zur Seite. Uli schaute durch den Sucher und richtete die Kamera auf das Boot. Als es ihm endlich gelang, bestätigte er: »Du hast Recht! Die wollen doch nicht etwa …«
Der Mann in der Mitte des Bootes hatte sich umgesetzt und ruderte nun gegen den Strom an. Er hielt Kurs auf das Wrack. Hinten war einer der Taucher aufgestanden und warf etwas über Bord.
»Ein Anker!« Rob klang aufgeregt.
Das Schlauchboot trieb langsam am Brückenpfeiler vorbei und kam oberhalb des Wracks an der Ölsperre zum Stillstand.
»Was wollen die?«, fragte Rob.
»Entweder dasselbe wie wir oder …«, Uli hielt inne. »Oder Jo könnte in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.«
Er zog sein Handy aus der Jackentasche.
*
Jo streifte das Jacket mit der Flasche wieder über und befestigte die Gurte. Niemals zuvor in seinem Leben war ihm so kalt gewesen. Noch zehn Minuten Luft. Jo tauchte systematisch durch die zweite Kammer, um nichts zu übersehen. Wieder nur Rohre.
Er versuchte, den Kopf schräg zu halten, um so die kalte Atemluft von dem schmerzenden Zahn abzuhalten. Ohne Erfolg.
Die Verbindung zum dritten Laderaum war deutlich größer als die vorige. Jo glitt ohne Probleme hinüber. Wieder die gleichen Rohre. Er überlegte, ob er in den Maschinenräumen hätte nachsehen sollen. Da tauchte eine helle Wand vor ihm auf. Als er um die Ecke bog, stellte er fest, dass es die Rückwand eines Containers war. Der Riegel war verschlossen. Jo versuchte ihn hochzuziehen. Es gelang ihm nicht. Er stemmte die Flossen auf den Boden und versuchte es nochmals. Mit einem Ruck gab der Riegel nach. Jo schwenkte die rechte Ladeklappe auf und fasste nach der linken, die leichter nachgab. Er nahm mehrere Atemzüge und glitt hinein.
Zuerst glaubte er, er habe die restliche Atemluft bereits verbraucht und erste Halluzinationen gingen seinem Tod voraus. Er schaute entsetzt auf das, was vor ihm schwebte und nicht in die Realität gehörte: Ein großer Frauenkopf mit wallender Mähne, aus der Schlangenschwänze schlugen, ganz nah vor ihm.
Medusa mit dem Schlangenhaupt. Jo erstarrte. Hatte Medusa nicht jeden in Stein verwandelt, der sie ansah?
Jo wich zurück und stieß mit der Stahlflasche gegen einen Türflügel. Der Kopf war nicht abgetrennt, ein Körper gehörte dazu. Die Frau war dunkelhäutig. Da waren noch mehr Körper, die durch die Kammer trieben. Es waren Männer, schwarze Männer, zwei, drei. Er traute sich nicht näher heran, ließ die Lampe noch einmal kurz über die Medusa streifen und zog sich dann aus dem Container zurück. Mit äußerster Kraftanstrengung verschloss er die Ladeklappen und drückte den Riegel nach unten. Nur keine Verbindung zu diesen Schimären lassen.
Das Finimeter war unter fünf Bar gefallen. Hatte er noch für zwei Minuten oder weniger Luft? Er musste raus!
Jo verlor seine Ruhe. Dabei hätte er sie in dieser Situation dringend gebraucht.
Der blanke Zahnnerv fuhr ihm wie ein heißes Schwert durch den Kiefer. Er schaute auf den Kompass, aber der konnte ihm nicht helfen. Er wusste nicht mehr, aus welcher Richtung er gekommen war. Er war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. War es die Kälte oder der Schreck, der ihn lähmte? Mit unendlicher Mühe stieß Jo sich vom Container ab. Er musste etwas tun, egal in welche Richtung er jetzt tauchte, es war besser, als hier untätig auf das Ende seines Luftvorrats zu warten.
Die Strömung fiel ihm ein, die sich bisher durch alle Laderäume bewegt hatte. Ja, die tanzenden Partikel waren da, sie wurden nach oben gewirbelt. Jo schaute ihnen nach und war im Begriff, auch seine Richtung zu ändern und der Strömung zu folgen, als er abrupt gestoppt wurde. Er spürte, dass etwas von hinten an seinem Jacket riss. Er wusste, dass es Blödsinn war. Er hatte sie ja auch sicherheitshalber wieder eingesperrt, dennoch erstarrte er. Hielt ihn jemand von hinten gepackt?
Seine Lampe fiel ihm aus der Hand. Sekundenlang glaubte er, sein Herz bliebe stehen.
Noch nie in seinem Leben war es ihm
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