Endstation Mosel
Motorgeräusch zu Walde hinüber.
Auf den Straßen war in den frühen Morgenstunden nur wenig Verkehr. Bis zum Ufer hielt sich Harry tempomäßig zurück. Auf der Ausfallstraße entlang der Mosel gab es dann schließlich kein Halten mehr.
»Hier gilt Tempo Fünfzig«, rief Grabbe in Höhe des Moselstadions vom Rücksitz.
»Ich dachte, Siebzig«, antwortete Harry und überholte ein Taxi.
»Ja, es war mal Siebzig, aber noch nie Einhundertsiebzig!«, meckerte Grabbe.
»Wenn du lieber mit Monika fahren möchtest, kann ich dich gerne rauslassen«, Harry drehte sich zu Grabbe um.
»Schon gut, schon gut«, versuchte der ihn dazu zu bewegen, wieder auf die Straße zu achten.
Auf dem weiteren Weg sagte niemand mehr etwas.
Formel-Eins-Fan Harry dachte daran, dass die Reifen jetzt die richtige Temperatur hatten, um noch ein wenig mehr beschleunigen zu können. Er hatte die Arme weit zum Lenkrad ausgestreckt. Hinter Longuich ließ er den Wagen ausrollen.
Bei Riol wurde die Straße eng und glich eher einem Feldweg. Ab und zu streifte ein Ast der ausladenden Büsche den Wagen.
Harry steuerte über die provisorische Zufahrtsstraße zur Brückenbaustelle. Auf der neben der Strecke fließenden Mosel fuhr ein kleineres Boot, das mit einer ganzen Batterie von Scheinwerfern ausgerüstet war.
»Wasserschutzpolizei«, bemerkte Walde, als sie es überholten.
Das Gerücht, dass sich Leichen in der Populis befinden sollten, hatte sich schon herumgesprochen. Vor der Absperrung parkten links und rechts des Weges Pkws und Traktoren. Dem grüßenden Polizisten an der Absperrung teilte Walde mit, dass eine Seite schnellstens von parkenden Wagen geräumt werden müsse, um Platz für eventuell benötigte größere Fahrzeuge zu schaffen.
*
Mittwochmorgen. Flussabwärts zeichneten sich die Hügelkuppen der Weinberge wie Igelrücken gegen die Dämmerung ab. Von Westen wehte ein kühler Wind über das Wasser.
Die Trierer Berufsfeuerwehr traf mit zwei großen Gerätewagen und einem Krankenwagen ein. Im Nu wurde ein Schlauchboot entladen und zwei Männer in Taucheranzügen legten die benötigten Ausrüstungsgegenstände an.
Inzwischen war auch das Boot der Wasserschutzpolizei eingetroffen.
Walde sprach sich kurz mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr ab und stieg dann mit ihm, den beiden Tauchern und einem Mann am Ruder sowie einem weiteren, auf dessen Jacke THW stand, ins Schlauchboot. Es fuhr um die Ölsperre herum und legte am Boot der Wasserschutzpolizei an, wo Stadler in Zivil mit zwei Kollegen an der Reling stand.
»Morgen, Herr Stadler, wo kommen wir durch die Ölsperre?«, rief Walde nach oben.
»Da vorn«, meldete sich der Mann vom THW auf der Bank neben Walde. »Ich mach’ das. Ich hab’ die Sperre selbst gelegt, ich meine, ich war dabei, als sie gelegt wurde.«
»Wir sprechen gleich«, rief Walde zurück zu Stadler, als sich das Schlauchboot wieder in Bewegung setzte.
Der THW-Mann löste mit wenigen Handgriffen die Verbindung zwischen zwei Bojen. Sie glitten auf die aus dem Wasser ragenden Aufbauten des Steuerhauses der Populis zu.
Die Taucher ließen sich rückwärts über Bord gleiten. Sie hatten bald den Einstieg in den Laderaum gefunden. Walde beobachtete die aufsteigenden Luftblasen.
Was, wenn Jo Gespenster gesehen hatte? Er war in einem erbärmlichen Zustand von der Tauchtour zurückgekommen, völlig durchgefroren und mit total leerer Flasche.
Es wurde hell. Die wenigen Wolken am Himmel schimmerten rötlich. Am Ufer und auf den Booten wurden die Hälse gereckt. Die Arbeiter der Brückenbaustelle standen vor ihren Containern. Daneben hatte jemand ein Stativ mit einer Kamera aufgebaut. Walde erkannte Rob.
Der erste Taucher kam wieder hoch. Er wartete, bis auch sein Kollege an der Oberfläche erschien, dann schob er die Brille hoch: »Fünf Tote, zwei Frauen, drei Männer.«
Walde gab die Nachricht an Harry und Grabbe weiter, die für eine sofortige Festnahme der beiden Holländer in der Mehringer Pension sorgen sollten.
Anschließend informierte er den Polizeipräsidenten über die Auffindung der Leichen und die Maßnahmen, die er zu ihrer Bergung vorgesehen hatte.
*
Den ganzen Morgen über lief Ulis Drucker. Zweimal schon musste er die Farbpatrone wechseln. Diesmal hatte Uli mit der Headline das gesamte Schaufenster zugeklebt: GRAUSIGER LEICHENFUND IN DER POPULIS!
Drinnen lag das Extrablatt in zwei hohen Stapeln links und rechts der Theke. Das Foto des mysteriösen Schlauchboots prangte unter der dicken
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