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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Lampe tastete sich weiter. Er blieb an einem Arm, einem Oberkörper hängen, wanderte weiter zu einem aufgedunsenen Gesicht, in dem strähnige Haare hingen, zu Beinen, Rücken, weiteren Köpfen und Armen. Wie ohne jeden Respekt übereinander geworfen lagen sie vor ihm. Menschen, denen ein schreckliches Unrecht zugefügt worden war.
    Er drehte sich um. Im Eingang zeichneten sich die Konturen einer Person ab. Walde ging auf sie zu.
    Es war Harry. Für Sekunden legte er ihm eine Hand auf die Schulter und stützte sich ab. Zu Worten war er nicht fähig.
    Im Vorzelt wurde es Walde schwindlig. Er musste sich an einem Reifen des Tiefladers festhalten, sonst wäre er gestürzt. Eruptionsartig schleuderte sein Magen brennende Säure durch die Speiseröhre. Walde ließ sich auf die Knie sinken und spuckte. Harry reichte ihm ein Papiertaschentuch. Waldes Würgen endete in einen Hustenanfall. Als sein Magen sich endlich beruhigt hatte, hörte er das Getrappel der Spurensicherung, die bereits im Container zugange war.
    *
    Auf der Fahrt zurück sprachen Walde und Harry kein Wort. Durch das Wagenfenster beobachtete Walde das Treiben auf Triers Straßen. Im Autoradio sang Mark Knopfler Sailing To Philadelphia. Walde drehte die Musik lauter. Er schaute in die Fenster der neben ihnen im Stau auf der Zurmaiener Straße stehenden Autos. Die Leute schwatzten, rauchten, blickten stumm vor sich hin, wippten zur Musik, bohrten in der Nase, telefonierten … sie lebten. Das war eine ganz andere Welt als die, aus der er gerade kam.
    Es ging weiter. Harry schlängelte den Wagen im Slalom über die Uferstraße und die Südallee hoch.
    Sie fuhren am Präsidium vor. Sein Blick blieb an einer jungen Frau auf den Stufen zum Haupteingang hängen. Figur, Gang, Gesicht, Haare – er konnte nicht anders und musste den Kopf nach ihr drehen, bis sie aus seinem Blickfeld verschwand.
    »Na endlich!«, stöhnte Harry.
    »Was ist?«, fragte Walde.
    »Du scheinst wieder unter uns zu weilen«, sagte sein Assistent.
    Grabbe hatte die Bürotür offengelassen und rief Walde, als er mit Harry über den Flur kam, zu: »Stiermann möchte dich dringend sprechen.«
    »Okay, lass’ die beiden Holländer hochbringen, Harry kann schon mal mit deren Vernehmung beginnen. Wie ist die Festnahme gelaufen?« Walde war stehen geblieben und hatte sich zu Grabbe umgedreht, der im Türrahmen seines Büros stand.
    »Kein Problem, keinerlei Widerstand, ich hab’ sie persönlich bis in ihre Zelle im Keller gebracht.«
    »In ihre Zellen«, verbesserte Harry.
    Grabbe sah ihn verständnislos an.
    »Du hast sie ja wohl in getrennte Zellen sperren lassen?«, bohrte Harry nach.
    »Das ging nicht«, antwortete Grabbe.
    »Was soll das heißen?«
    »Da saßen überall Punks und Penner drin.«
    »Warum hast du …?«
    »Da sind heute Morgen am Hauptmarktbrunnen ein Dutzend von den Typen verhaftet worden.«
    »Mensch Grabbe, das ist doch vollkommen egal, hättest sie rauswerfen oder zusammenlegen sollen, was weiß ich«, Harry schüttelte den Kopf, »irgendetwas machen sollen, aber doch nicht die beiden … Das sind Mittäter, die hängen in der gleichen Sache drin, da besteht doch höchste Verdunklungsgefahr. Die haben jetzt Stunden Zeit gehabt, sich in aller Ruhe abzusprechen. Mensch, Grabbe …« Harry schüttelte wieder den Kopf.
    »Der eine, dieser Verbeek, der ist doch total weggetreten«, versuchte Grabbe zu beschwichtigen.
    Walde öffnete die Tür zum Fahrstuhl. Hinter ihm ging der Disput zwischen Harry und Grabbe weiter.
    Stiermanns Vorzimmer war leer. Die Sekretärin war bereits gegangen.
    *
    In Stiermanns Büro hing der vertraute Geruch von Mentholzigaretten.
    »Sie sehen groggy aus.« Der Polizeipräsident stand auf und deutete auf die Sitzgruppe, worauf sich Walde in einem der Sessel niederließ.
    »Ich habe die Staatsanwaltschaft bereits gebrieft. Herr Roth ist noch in einer Verhandlung.«
    »Haben die sonst keine Leute?«
    »Der Oberstaatsanwalt ist heute in Mainz, der Roth wird sich bald melden. Sorry, ich hab’ Ihnen noch gar nichts angeboten. Meine Sekretärin ist …« Er überlegte. »Ich glaube, Sie können einen Drink vertragen. Whiskey on the rocks? Erinnere ich mich recht?«
    Walde nickte. Stiermann hatte die Schiebetür der Mahagonischrankwand geöffnet, hinter der sich ein üppiges Flaschensortiment verbarg.
    Der Präsident kam mit zwei großzügig eingeschenkten Gläsern zurück. Die Eiswürfel klirrten, als er ein Glas vor Walde auf den Tisch stellte. Sie

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