Endstation Mosel
der nicht abgeschlossenen Tür. Kaum hatte er den dunklen Gang betreten, hörte er hinter sich dunkle Stimmen. Dazu gesellte sich ein schleifendes Geräusch, sicher die Räder eines Krankenbettes. Walde hielt die Stahltür mit gedrücktem Griff einen kleinen Spalt offen. Er konnte nicht lokalisieren, aus welcher Richtung die Leute kamen.
Sie waren schon ziemlich nah. Walde konnte einzelne Worte des Gesprächs verstehen. Es drehte sich um Fußball. Walde hatte sie aus der anderen Richtung erwartet. Die beiden Männer, die mit schnellen Schritten vor und hinter einem Krankenbett unterwegs waren, trugen helle Arbeitskleidung. Als Walde die Tür zudrückte, waren sie keine zehn Meter mehr entfernt. Zum Glück schienen sie so in ihre Unterhaltung vertieft zu sein, dass sie nicht weiter auf ihre Umgebung achteten.
In Waldes Gang war es dunkel. Der Karbolgeruch war nur schwach, bestätigte aber eindeutig seine Vermutung, dass sich hier die Pathologie befand. Er hatte die Taschenlampe nicht griffbereit. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Brille wieder auf die Nase zu setzen und abzuwarten. Draußen hatten die Rollgeräusche aufgehört. Die Unterhaltung wurde munter weitergeführt. Walde konzentrierte sich darauf, was er gesehen hatte. Die beiden Pfleger – und was war in dem Bett? Helles Bettzeug. Er sah etwas Dunkles. Das könnte eine Hand gewesen sein. Dunkelbraun, zu braun für diese Breitengrade.
Mist, der Stock glitt ihm aus der Hand. Walde bückte sich blitzschnell und fuchtelte mit ausgebreiteten Armen ins Dunkel. Seine linke Hand hielt den Stock zurück, konnten ihn aber nicht greifen. Draußen quietschte die Fahrstuhlhydraulik. Dann bekam er ihn zu fassen.
Das Bett wurde in die Kabine geschoben. Walde entspannte sich.
Er schlich wieder auf den Gang hinaus und weiter in die Richtung, aus der die beiden Männer gekommen waren. Bevor er um die nächste Ecke bog, lugte er in den Gang. Dort war eine Stahltür mit einem großen weißen F darauf. Walde zog sofort den Kopf zurück. An der Decke waren zwei Kameras installiert. Eine auf die Tür, die andere auf den Gang gerichtet.
Walde zog sich zurück und betrat wiederum den dunklen Flur zur Pathologie. In der Tiefe des Bademantels fand er endlich die Taschenlampe.
*
Die zahlreichen Gäste in der Gerüchteküche redeten gegen die Musik von De-Phazz an. Doris’ momentane Lieblings-CD lief noch ein paar Phon lauter als üblich. Sie war spontan für Britta eingesprungen. Zuletzt hatte sie vor mehr als zehn Jahren während ihres Modedesign-Studiums in einem Biergarten serviert.
»Noch zwei Viez!«, rief Jo von der anderen Seite der Theke, wo er in eine Unterhaltung mit dem Vorsitzenden des Münzvereins vertieft war.
»Fahr’ nach Haus’ zu deiner Frau!«
»Ich sag’ Uli, wie geschäftstüchtig du dich hier gleich am ersten Abend anstellst.«
»Der ist noch froher, wenn du gehst«, lachte sie und schenkte nach.
Jo nahm die beiden über die Theke gereichten Steinkrüge entgegen: »Es war Ulis Idee, mir freies Trinken für den Rest des Jahres zu versprechen.«
»Wegen dieser verrückten Tauchgeschichte?«
Jo wies mit den Augen auf seinen Nebenmann.
Doris verstand. »Ich hab’ den Altersschnitt gemeint, den hebst du hier mit deiner Anwesenheit um gut und gerne zehn Jahre.«
Sie wurden von einer jungen Frau unterbrochen: »Kann ich noch was Kleines zu essen haben?«
Doris schüttelte den Kopf: »Die Küche ist längst zu.«
»Nur was Kaltes, ein Sommerloch?«, blieb die Hungrige hartnäckig.
Doris wies auf die Tür mit der Aufschrift – Interne Gerüchteküche -. »Höchstens noch einen Polizeibericht.«
»Was ist das?«
»Bulette mit Senf und Brötchen«, jetzt war Doris auch wieder eingefallen, was Sommerloch war. Hinter Sommerloch verbarg sich ein nur mit Essig und Öl zubereiteter grüner Salat. Am meisten gewünscht wurden die Ein- bis Fünfspalter. Das waren Baguettes mit verschieden dicken Belägen.
Die Glasscheibe der Redaktion wirkte milchig. In der winzigen Redaktion des Käsblatts waberten dichte Rauchwolken. Uli hackte in die Tasten. Eine frisch angerauchte Zigarette hing in seinem Mundwinkel und eine noch qualmende Kippe im Aschenbecher. Rob, ebenfalls mit Kippe im Mundwinkel, saß daneben und versuchte mit filigraner Maustechnik, dunkle Partien in einem Foto aufzuhellen.
Sie waren erst vor einer Stunde aus Cochem zurückgekommen, wo sie den ganzen Tag von einem Versteck im Weinberg aus die Yacht von Madame Goedert im Blick gehabt
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