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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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den Krankenhausrechner einzuloggen und besonderes Augenmerk auf die Station F richten.« Er diktierte.
    »Wir haben einen Anruf bei der Madame aufgezeichnet. Morgen Mittag soll sich etwas tun«, sagte Harry, nachdem er die Notizen beendet hatte.
    »Was wurde genau gesprochen?«, fragte Walde.
    »Ein Mann sagte nur einen Satz. Moment, hab’ ihn notiert.« Harry raschelte mit einem Blatt: »Es wird morgen Mittag erledigt. Ich brauch’ mehr Geld. Schlafen Sie gut.«
    »Soll das bedeuten, dass dann ein weiterer Transport mit Spendern ankommt?«, fragte Walde.
    »Ist gut möglich, wann kommst du zurück?«
    »Bald.« Walde legte auf.
    *
    Walde gelangte unbehelligt wieder nach oben ins Foyer. Auf den Fliesen des langen Gangs, dem sich hinter der ersten Biegung ein weiterer anschloss, verursachte der Gummi des Stocks ein leises Schmatzen.
    Hinter der nächsten Abzweigung kam es Walde vor, als befinde er sich in einem anderen Gebäude. Die Türen und Zargen waren aus dunklem Holz. Walde stellte fest, dass die Türen deutlich niedriger waren als in den modernisierten Abteilungen. Befand er sich bereits im Kloster?
    Erzog den Gebäudeplan aus der Tasche. Hier musste der Verwaltungstrakt untergebracht sein. Beim Weitergehen las er die kleinen Schilder neben den Türen. Der Eingang zum Vorzimmer der Schwester Oberin hatte ein uraltes Schloss. Walde lauschte einen Moment. Dann zog er den kleinen Bund mit Schlüsseln hervor und suchte den stabilsten Dietrich heraus. Nach der ersten Umdrehung drückte er die Klinke. Die Tür gab nach.
    Walde zog die schweren Schubladen am Schreibtisch der Schwester Oberin heraus. Im Schein der kleinen Taschenlampe fand er bergeweise Korrespondenz. Viele Briefe waren von Hand geschrieben und kamen, wie es Walde schien, aus den verschiedenen Auslandsniederlassungen der Gebenedeiten Schwestern. Walde fand keinen einzigen Vorgang, der sich in irgendeiner Weise mit Personal, Einrichtungen, Patienten oder sonstigen Angelegenheiten des Krankenhauses befasste. Ebenso wie im Vorzimmer waren die Rollläden an den Fenstern nicht heruntergelassen. Er sah auf die schwach erleuchteten Fenster der gewaltigen Klosterkirche.
    Draußen hallten Schritte. Seine Uhr zeigte zweiundzwanzig Uhr dreißig. Begannen jetzt schon die Rundgänge der Wachmannschaft? Die Tür zum Vorzimmer war nicht abgeschlossen. Er hielt den Atem an. Die Schritte entfernten sich.
    Bevor Walde die Tür zum Flur öffnete, lauschte er. Draußen schloss er ab. Verdammt, er hatte den Stock vergessen!
    Er überlegte kurz, ob er ihn stehen lassen sollte, dann schloss er wieder auf. Auf der anderen Seite des Flurs wurde eine Tür geöffnet. Walde konnte nicht mehr schnell genug in Deckung gehen.
    Jetzt war es egal, er war entdeckt worden. Er lugte um die Ecke und sah eine Nonne tief gebeugt, auf eine rollende Gehhilfe gestützt, langsam durch die Tür kommen. Dort schien sich der Eingang zum Klosterbereich der Gebenedeiten Schwestern zu befinden. Sie hatte ihn nicht bemerkt.
    »Moment, Schwester Apollonia, ich komme«, rief eine Frauenstimme.
    Kurz darauf schwang vor dem Klostereingang eine Tür auf. Walde zog sich hinter die Tür zurück.
    Der Stock hing noch am Arbeitssessel der Schwester Oberin. Die schwere Brille drückte auf seine Nase. Er nahm sie ab und steckte sie in eine Tasche des Bademantels.
    Draußen ging eine Lampe an. Ein kleines, von Bänken umrahmtes Karrée wurde sichtbar.
    Walde verließ das Zimmer, schloss ab und hastete an der Wand des Flurs entlang in Richtung Klosterpforte. Er kam unbehelligt an der Loge vorbei. Dahinter betrat er eine andere Welt.
     
    Walde fragte sich, ob es anerzogene katholische Ehrfurcht war, die ihn kaum eine Minute, nachdem er das Kloster betreten hatte, diese Entscheidung bereuen ließ; oder war es der Respekt vor der selbst gewählten Abgeschiedenheit der Nonnen, die zu verletzen er kein Recht hatte?
    Wenn er nicht einmal vor sich selbst sein Eindringen rechtfertigen konnte, wie viel weniger würde ihm das Präsidium oder die Staatsanwaltschaft im Falle einer Entdeckung zur Seite stehen?
    Es ging um fünf Menschen, die ihr Leben verloren hatten und vielleicht auch darum, dass einer skrupellosen Bande das Handwerk gelegt werden sollte. Walde spürte, wie seine Motivation wieder zurückkehrte.
    Der im Vergleich zu den Fluren des Krankenhauses sehr breite Gang hatte keine Türen und war nur spärlich durch wenige von Gittern umrahmte Deckenlampen beleuchtet. Die grob verputzten Wände, in denen sich die

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