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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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zugemauerten Bögen eines ehemaligen Kreuzganges abzeichneten, endeten an einer Wendeltreppe. Die Luft war frisch und um einige Grade kühler als im Krankenhaus. Walde überlegte noch, wie die betagte Nonne mit der Gehhilfe hier herunter gekommen sein mochte, als er den Lichtschein aus der offenen Kabinentür des Fahrstuhls am Fuß der Treppe bemerkte.
    Die Stufen der Sandsteintreppe waren über die Jahrhunderte ausgetreten worden. Walde konzentrierte sich beim Treppensteigen auf den kleinsten Laut. Was verbarg sich hinter den dicken Mauern?
    Oben machte der Gang einen weiten Bogen. Hier musste wohl der Chor der Kirche umgangen werden. Nach dem Gebäudeplan ragte sie wie ein auf eine Insel aufgelaufener Ozeanriese in das Atrium des Klosters.
    In der Mitte des Bogens ging eine Tür ab. Das musste die Verbindung vom Kloster zur Kirche sein. Am Ende des Bogens gelangte Walde an eine Abzweigung mit drei Gängen. Er entschied sich für den Weg durch einen Flur, in dem sich eine Vielzahl alter, mit Metallbändern beschlagene Bogentüren, befanden. Es blieb ruhig. An den Türen waren keine Schilder angebracht. Nach der Größe zu urteilen, konnte es sich nur um die Zellen der Nonnen handeln. Hatte die Äbtissin ein weiteres Büro im Kloster, wo Walde das finden konnte, was er suchte?
    Am Bademantel hatte sich der Gürtel gelöst, er verknotete ihn und spürte plötzlich einen leisen Luftzug aufkommen. Eine Tür fiel ins Schloss. Walde blieb stehen. Der Luftzug hatte aufgehört. Schritte, sie näherten sich von vorn. Er schlich rückwärts. Die Schritte wurden lauter.
    Er flüchtete so schnell er konnte. Als er den Bogengang erreichte, hörte er den Anschlag der Fahrstuhltüren. Kurz darauf scharrten die Rollen der Gehhilfe über die Steinplatten. Die Schritte in seinem Rücken waren immer noch da.
    Er erreichte die Tür in der Mitte des Bogens. Sein Stock stieß hart gegen den Türrahmen. Walde drückte die Klinke herunter und atmete durch. Es war nicht abgesperrt. Er trat auf einen knarrenden Holzboden. Sofort schloss er die Tür hinter sich. Es war stockfinster. Wenn er jetzt eine Treppe vor sich hatte, würde er stürzen.
    Aber er konnte nicht warten. Endlich, der Lichtstrahl seiner Taschenlampe traf das Chorgestühl. Walde wich den hohen Lehnen aus. Der Bodenbelag wechselte von Holz zu Stein. Walde stieß mit der Hüfte an. Es war der Altartisch. Dahinter beleuchtete ein rotes Licht schemenhaft ein Seitenschiff. Walde tastete sich vorsichtig vier Stufen hinunter. Er stand vor einem Vorhang, er zu einem Beichtstuhl gehörte. Walde kletterte hinein und ertastete ein Bänkchen, auf das sich gewöhnlich die Bußwilligen knieten. Er setzte sich darauf und zog seine langen Beine an.
    Irgendwo wurde eine Tür geschlossen. Das Geräusch floss wie eine unsichtbare Welle durch die Kirche. Erst nach Sekunden verhallte es in den Weiten des Raums.
    Walde spürte den Saum des Vorhangs an seinen nackten Zehen. Der weinrote Stoff wurde mit einem Mal hellrosa. Draußen war Licht angeschaltet worden. Hoffentlich waren seine Sandalen nicht zu sehen. Ganz vorsichtig teilte Walde den Vorhang soweit auseinander, dass er mit einem Auge hinausspähen konnte.
    Der Chor war hell erleuchtet.
    »Hallo?«
    Das eine Wort genügte, um zu erkennen, dass es keine Deutsche war, die da zaghaft rief. Walde konnte niemanden sehen. Der Altar verdeckte ihm die Sicht.
    »Hallo?«
    Er versuchte, den Akzent einer bestimmten Sprache zuzuordnen. Es gelang ihm nicht. Der Vorhang wurde wieder dunkel. Abermals hallte das Echo der zugefallenen Tür lange nach.
    Die Kälte kroch langsam von den Füßen die Beine hoch. Er rollte die Hosenbeine nach unten. Den Kragen des Bademantels schlug er hoch.
    Er saß in der Falle.
    *
    Zuerst würde er zu erklären versuchen, was ihn dazu bewogen hatte, in Klinik und Kloster einzudringen. Es kam ihm jetzt schon von Minute zu Minute lächerlicher vor. Die Telefonnummer eines vor Monaten gestohlen gemeldeten Autotelefons führte zu einer hoch angesehenen Luxemburgerin. Die wiederum hatte einen ihrer vielen Kontakte zu einem Krankenhaus – und das war von besonderem Interesse – mit Transplantationszentrum in der Eifel. Und das reichte aus, um dort in das Büro der Äbtissin und dann sogar in die Klostermauern der Gebenedeiten Schwestern einzudringen. Stiermann und Roth würden ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.
    Walde stellte sich die Schlagzeilen der Zeitungen vor. Es folgte die Gerichtsverhandlung. Vielleicht würde er

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