Endstation Mosel
Nähe von Cochem.«
»Wie ist die Aktenlage zu den einzelnen Punkten?«, fragte der Staatsanwalt.
»Zu Punkt eins und drei ein Gefühl und die einzige lauwarme Spur in Form einer Telefonnummer, die wir bei einem der Schiffer von der Populis gefunden haben. Zu Punkt zwei nur ein Gefühl«, antwortete Walde ehrlich.
»Ich brauch’ Ihnen nicht groß zu erläutern, dass ich gar nicht erst versuchen werde, die Hausdurchsuchungen zu beantragen«, kam Roths Antwort postwendend. »Bei der Telefonüberwachung schaue ich mal, was sich machen lässt.«
»Danke, Sie werden es nicht bereuen!« Walde legte auf, bevor eine der traditionell skeptischen Bemerkungen des Staatsanwalts folgen konnte.
*
»Walde, du weißt, dass ich schon einmal Glück hatte und aus der Klinik wieder in den Polizeidienst zurück durfte.« Harry wendete den Blick nicht von der kaum befahrenen Autobahn.
Walde nickte, ihm fiel auf, dass sein Assistent ihn schon längere Zeit nicht mehr mit Stefan anredete. Offenbar hatte er seinen Derrickfimmel aufgegeben.
Ein klappriger 2 CV überholte sie.
»Walde, hörst du mir überhaupt zu?«
»Doch, doch«, Walde kehrte von seinem Gedankenausflug zurück.
»Was hast du bei den vermaledeiten Schwestern vor?«
»Nichts, was deine Karriere in Gefahr bringen könnte. Du fährst ins Parkhaus und wartest dort. Das ist alles.«
»Und warum musste ich dir den Lageplan des Krankenhauses erläutern?«, bohrte Harry nach.
»Wenn ich mich verlaufe, treffe ich spätabends vielleicht niemanden an, den ich nach dem Weg fragen kann.« Ein Lkw mit Anhänger quälte sich Zentimeter um Zentimeter an ihnen vorbei.
»Wegen eines Hausdurchsuchungsbefehls habe ich bei Roth auf Granit gebissen, wenigstens kümmert er sich um eine Telefonüberwachung«, sagte Walde.
»Der Klinik?«, fragte Harry.
»Nein, des Mobiltelefons der Goedert.«
»Immerhin etwas.«
Walde nickte.
»Und jetzt willst du einbrechen.« Harry blickte weiter auf die Straße und behielt beide Hände am Lenkrad.
»Ich betrete vor 22 Uhr ein Gebäude, in dem es viel Publikumsverkehr gibt. Es könnte sein, dass ich im Rahmen einer Ermittlung, über die ich aus fahndungstechnischen Gründen nichts Näheres sagen kann, einer Person auf den Fersen bin, deren Identität ebenfalls aus oben genannten …«
»Danke, ich hab’ verstanden«, unterbrach ihn Harry.
Auf den letzten Kilometern schwiegen sie. Die Landstraße zur Klinik war am späten Abend nur wenig befahren. Der Himmel war wolkenverhangen. Kein Dorf, nicht einmal ein vereinzelt stehender Bauernhof tauchte auf. Walde sah nur das, was von den Scheinwerfern ihres Wagens angestrahlt wurde. Ringsum war schwarze Dunkelheit. Sie bewegten sich wie durch einen riesigen Tunnel.
*
Auf der ersten Ebene des Parkdecks stand einsam ein rostiger Honda. Harry parkte daneben. Er klappte den Sitz nach hinten und machte es sich bequem.
Walde nahm eine Plastiktüte aus dem Kofferraum, zog Schuhe und Strümpfe aus und schlüpfte in Birkenstocklatschen, die zusammen mit einer dicken Hornbrille zuoberst in der Tüte lagen. Die Brille hatte er Vorjahren zu einem Faschingsfest getragen. Es handelte sich um eine Spezialanfertigung aus der Optikerwerkstatt seiner Schwester. Die Dicke der Gläser kam an Glasbausteine heran. Zum Schluss zog Walde eine Wollmütze über, unter der er sorgfältig alle heraushängenden Locken verstaute.
Bevor er losging, öffnete er noch einmal die Beifahrertür, warf seine Jacke hinein und fragte: »Hat dein Telefon Empfang?«
Harry zuckte zusammen, weil er Walde im ersten Augenblick nicht erkannte: »Was ist denn jetzt los?«
»Hat es Empfang?«, wiederholte Walde.
Harry nickte.
Vor dem Parkhaus spannte Walde einen Schirm auf, hielt ihn tief über den Kopf und ging schnellen Schrittes an der Pforte vorbei. Die Plastiktüte sollte den Eindruck erwecken, er bringe einem frisch eingelieferten Patienten ein paar notwendige Utensilien.
Im Park am Haupthaus steuerte er eine Bank an, die etwas abseits unter einer mächtigen Zeder stand. Von den Laterne an den Wegen fiel nur wenig Licht hierher. Bevor Walde die Tüte absetzte, wischte er mit der flachen Hand über die nassen Bretter. Dann faltete er den Schirm zusammen und steckte ihn in den feuchten Rasen hinter der Bank. Er rollte die Hosenbeine bis unter die Knie hoch und zog einen dunklen Bademantel aus der Tüte, in den er hineinschlüpfte. Die beiden aufgesetzten Taschen waren prall gefüllt. Walde kramte eine Weile darin herum, bis er das
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