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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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durchstand.
    Mist, er hatte vergessen, die Hosenbeine wieder hochzukrempeln. Die Jeans unter dem Bademantel passte nicht zu seiner Maskerade.
    Verstohlen blickte sich Walde um. Beide Männer beobachteten ihn. Er blieb stehen, hob den Stock und salutierte damit zur Mütze.
    Die Männer nickten zurück.
    Womit habe ich das verdient? Walde konnte vor Schmerzen nicht mehr vernünftig gehen. Aber in dieser Maskerade war es wahrscheinlich besser, nicht vernünftig zu sein. Er eierte mit zusammengepressten Oberschenkeln und nach hinten gestrecktem Po über den roten Sandweg.
    Vor dem Eingang der Klinik genossen eine Handvoll Patienten die ersten Zigaretten auf nüchternen Magen. Walde erkannte den Mann vom gestrigen Abend im längs gestreiften Bademantel und den Lederpantoffeln. Walde gesellte sich zu ihm und fingerte den Tabak aus der Tasche.
    »Ist sich Beste von ganze beschissene Tag!« Walde hob das mit Tabak gefüllte Zigarettenblättchen in die Höhe und musste gleich wieder gegen eine Eruption ankämpfen.
    »Hann Sie Schmerzen?«, fragte sein Gegenüber.
    Walde schüttelte den Kopf. Nur noch wenige Sekunden konnte er diesen Druck ertragen. Er ließ sich auf den Rand eines Blumenkübels sinken und schlug die Beine übereinander. Das erbärmliche Resultat seiner Dreherei baumelte zwischen seinen Lippen. Wo waren die Wachleute? Ihm wurde die Sicht versperrt, weil ihm jemand ein brennendes Feuerzeug unter die Nase hielt.
    Walde blies den Rauch sofort wieder aus. Wenn er jetzt einen Lungenzug nahm, würde er husten müssen und dann kannte seine Blase kein Halten mehr.
    Die Sicht war wieder frei. Von den Wachleuten keine Spur.
    Walde richtete sich vorsichtig auf. Gestern Abend hatte er neben der Ambulanz eine Besuchertoilette gesehen. Er musste es bis dahin schaffen! Im Vorbeigehen schleuderte er die Zigarette in den Kübel.
    »He!«, rief jemand hinter ihm. Walde drehte sich nicht um. Vielleicht war er auch gar nicht gemeint. Walde passierte die Pforte.
    »He, warte doch!«, kam es wieder.
    Verdammt, waren die Kerle doch noch auf seinen Fersen. Er ging unbeirrt weiter. Wenn er eines genau wusste, dann war es dies: Keine Minute würde es dauern, bis ihm das passieren würde, was ihm seit seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr passiert war.
    »Warte doch!«, sein Verfolger musste dicht hinter ihm sein.
    Walde schätzte die Entfernung bis zur Toilette auf unter zwanzig Meter. Vielleicht konnte er es bis dahin schaffen.
    Jemand schlug auf seine Schulter. Walde war paralysiert. Er hatte nur noch das Eine im Sinn. Davon wollte er sich von nichts und niemandem abhalten lassen. Noch fünf Meter. Etwas schlug in Gürtelhöhe schmerzhaft an seinen Bademantel.
    »Hier, den hast du vergessen. Scheint ja auch ganz gut ohne zu gehen.«
    Der Typ vom Raucherplatz hatte sich zwischen ihn und die Tür gestellt und fuchtelte ihm mit dem Stock vor der Nase herum.
    »Moment!« Walde langte an dem Mann vorbei nach dem Türgriff. Offen. Im Vorraum riss er den Knoten des Gürtels auf. Da war noch der Reißverschluss der Jeans.
    Warum mussten die drei Nonnen in den blauen Kutten jetzt ausgerechnet hier sauber machen? Er konnte darauf keine Rücksicht nehmen.
    »Sorry!«
    Er jagte durch die offene Kabinentür und schob einen Zinkeimer zur Seite.
    *
    Als Walde die Kabine verließ, war der Vorraum leer. Er wollte es eigentlich vermeiden, hatte aber eine Sekunde nicht daran gedacht und in den Spiegel geschaut.
    Er lachte. Darüber, dass er noch lebte, sein Unterleib nicht explodiert war, er heute Nacht nicht geschnappt worden war und ein total dämlicher Kerl ihn anblickte.
    Er hielt sich die Hand vor den Mund.
    Das Pflaster hatte sich auf einer Seite gelöst und baumelte herunter. Er riss es ab und steckte es zu dem Gerümpel in seinen Taschen.
    Wie sollte er sich dazu überwinden, hier jemals wieder rauszugehen? So ähnlich war er an Karneval zu einer Party erschienen, aber da waren alle verkleidet gewesen. Doris hatte ein sexy Krankenschwesternkostüm getragen und die Blicke von ihm abgelenkt. Außerdem dämpften schummriges Licht und der Alkohol die Hemmungen.
    Es klopfte an der Tür. Er reagierte nicht und nahm das Handy aus der Tasche. Der Akku war leer.
    Er fühlte sich, als wäre er in dem Traum, den er als Kind so oft geträumt hatte. Er saß im Schlafanzug auf seinem Bett und fuhr damit durch die Straßen von Trier, alle Leute starrten ihn an. Walde blieb nichts anderes übrig, als die Hosenbeine hochzukrempeln und sich in den Albtraum zu

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