Endstation Mosel
hier generalüberholen.«
Willi leerte seine Flasche und stellte sie auf das Brett.
»Ich verstehe nirrt, was für Scheichs?«
»In dem Kasten auf dem Hügel hat sich der Professor Sieblich ein OP mit allen Schikanen bauen lassen. Da kann er in den Ölbaronen so lange rumstochern, bis er seine eigene Ölquelle gefunden hat.«
Walde trank den Rest aus der Flasche. Eigentlich ging die nächste Runde auf ihn, aber er hatte kein Geld dabei. Er zog den Tabak aus der Tasche und bot ihn an.
Der alte Mann winkte ab: »Raucht ihr immer noch dasselbe Kraut?« Er nahm seine Zigaretten ohne Walde eine anzubieten.
»Ich hab’ es ja selbst erlebt, der Russe an sich ist genügsam, eigentlich so wie wir hier in der Eifel. Mir hatten ja früher auch nit viel.«
Willi deutete mit zwei Fingern eine weitere Bestellung an.
Sofort wurden zwei Flaschen auf das Thekenbrett gestellt.
»Oleg, kein Geld«, versuchte Walde den Mann zu stoppen.
»Lass et gut sein, mir ging et och gut da drüben, ich hann en Meng Geschäfte mit den Russen gemacht. Ich hatt meistens mehr zu essen als die Russen, die auf uns aufgepasst hann.« Er hatte sich in Rage geredet und war lauter geworden. Hier und da erregte er die Aufmerksamkeit der übrigen Kundschaft. Der morgendliche Betrieb lief am Kiosk an. Die meisten Besucher kauften die Bildzeitung und Zigaretten, die von geschäftigen Händen herausgereicht wurden.
Walde nippte an der Flasche. Der Alkohol stieg ihm zu Kopf. Er fühlte sich längst nicht mehr so unwohl wie noch vor ein paar Minuten.
»Jab es da auch Öl, in Odessa?«, fragte er.
»Sag mal, dich hätt ich auch aus Russland rausgeschmissen.« Willi schlug ihm an die Schulter. »Nix für ungut, Prost, Oleg!«
Walde setzte die Flasche wieder ab: »Was haben die Scheichs hirr verloren?«
»Was weiß ich, da musst du die selbst fragen. Aber an die kommst du nicht ran. Die sitzen da auf ihrem Hügel und haben mit uns gemeinem Volk nix zu tun. Die haben eine eigene Küche, da gibt es keinen Kantinenfraß.«
»Und wachum sind die hier?«
»Der Professor Sieblich ist ne echte Koryphäe, der hat hier wieder alles auf Vordermann gebracht. Ohne den hätten die Nonnen über kurz oder lang den Laden dicht machen können. Mein Schwiegersohn schafft hier in der Intensivstation. Der lässt nix auf den Sieblich kommen.«
»Und Scheichs kommen mit Hubschrauber?«
»Die landen in Frankfurt und fliegen von dort aus direkt hierher.« Willi hatte seine zweite Ration intus.
»Haben zu Haus keine juten Krankenhäuser?«, fragte Walde.
»Viagra kriegen die da sicher auch verschrieben. Dat iss es bestimmt nicht. Nee, die Religion ist ziemlich streng. Die dürfen nix trinken, ich mein Alkohol und so. Aber datt wird die nit scheren, dat sieht ja keiner, watt die in ihren Beduinenzelten trinken. Aber wenn die Leber kaputt ist, kriegst du keine neue mehr. Dat erlaubt denen ihren Allah nitt. Bei Organen und so verstehen die keinen Spaß.«
»Und dann hierher?«
»So ähnlich wird et wohl sein.« Willi legte erneut einen Geldschein auf den Tresen.
*
Der rostige Honda stand immer noch an der gleichen Stelle auf dem Parkdeck. Walde setzte sich auf die Motorhaube und wartete.
Eine Viertel Stunde zu spät kam Harry die Auffahrt hochgefahren. Walde warf seine Tüte auf den Rücksitz. Dann klappte er die Sonnenblende herunter und betrachtete sein Gesicht in dem kleinen Spiegel.
»Sorry«, Harry fuhr gemächlich aus dem Parkhaus. »In meinem alten Tempo wäre ich mindestens zehn Minuten zu früh hier gewesen. Aber jetzt …« Harry hob kurz beide Hände über das Lenkrad, um es gleich darauf wieder sicher festzuhalten.
Mit angefeuchteten Fingern rubbelte Walde die letzten Spuren der lila Filzstiftstriche weg. Seine Nasenflügel hatten so tiefe Druckstellen, als hätte er ein paar Tage lang eine Wäscheklammer darauf getragen.
»Und, hat deine Exkursion neue Erkenntnisse gebracht?«, fragte Harry.
»Die Station von Professor Sieblich möchte ich mir unbedingt genauer ansehen. Hat sich sonst etwas bei den Kollegen getan?«
»Das kann man wohl sagen«, antwortete Harry. »Bei Grabbe sind die ganze Nacht die Rechner heiß gelaufen. Gabi hat einiges in Luxemburg und Frankreich in Erfahrung bringen können. Monika hat eben angerufen. Ein neues Extrablatt ist erschienen. Mit Foto.« Harry wartete an der Auffahrt zur Bundesstraße, bis die Lücke groß genug war, um sich in den Verkehr einzufädeln.
»Was ist drauf?«, fragte Walde.
»Ach so, auf dem
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