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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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Bahnhof?«
    Ich hatte noch die Nummer der Sozialarbeiterin, die im B.O.J.E. -Bus arbeitete. »Soll ich mal bei denen vom Bus anrufen?«, schlug ich vor.
    »Die machen erst um zwei auf«, gab Chantal zurück.
    »Oder im ›Gulliver‹?«
    »Da warn wir nie.«
    »Hörma, Chantal«, meldete sich jetzt Tina zu Wort. »Ihr drei findet Marco nicht. Wenn er da nicht ist, wo du gesucht hast, dann kann er in ganz Köln sein. Weißte?«
    Chantal sah sie jetzt erstmals an. Nickte vorsichtig.
    »Deshalb«, fuhr Tina fort, »werde ich jetzt eine Suche nach ihm starten.«
    »Das kannste nich machen!« Chantal schoss vom Stuhl hoch und ballte die Fäuste. »Du kannst dem nich die Bullen an ‘n Hals hetzen!« Wutentbrannt wandte sie sich zu mir um: »Du hast gesagt, die ist okay!«
    Sie wollte aus der Küche stürmen, aber Hotte packte sie am Arm und hielt sie fest.
    »Bleib hier, Mädchen. Die will uns helfen. Hör ihr erst mal zu.«
    »Seit wann hast du’s denn mit den Bullen?«, höhnte Chantal.
    »Halt den Rand.« Das war weniger eine Aufforderung als eine Feststellung.
    Sie setzte sich zwar nicht wieder hin, knurrte aber »Also was jetzt?« in Richtung Tina.
    Die sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. »Weißte, ‘ne Vermisstensuche, das ist keine Fahndung. Da gehen die Kollegen nicht los, weil sie hinter ‘nem Verdächtigen her sind. Da gehen die los, weil sie ein Kind suchen, das möglicherweise in Gefahr ist. Und ganz viele von denen haben selber Kinder. Deswegen tun die dann auch alles, damit sie das vermisste Kind finden und keiner dem was tun kann.«
    Chantal entspannte sich ein bisschen. Setzte sich wieder hin und sah mich an. »Kann ich ‘ne Kippe haben?«
    »Geht leider nicht«, antwortete Tina an meiner Stelle. »Du bist unter vierzehn. Wenn sie dir ‘ne Kippe gibt, muss ich ihr Ärger machen.«
    »Leck mich.«
    »Später«, gab Tina trocken zurück. »Jetzt gucken wir erst mal, dass wir deinen Bruder finden. Haste ‘n Foto vom Marco?«
    Chantal dachte einen Moment nach. »Ja, doch, aber da isser noch ‘n Baby. Und das is bei meinen Sachen im Heim.«
    Hotte war aufgestanden und aus der Küche verschwunden. Kehrte mit einem Fotoalbum zurück. Blätterte und zog ein Foto heraus. »Hier. Das is zwei Jahre alt. Aber ‘n bisschen sieht er noch so aus.« Er hielt es Chantal hin. »Ne?«
    Chantal starrte auf das Bild. »Wo hast’n das her?«
    »Von deiner Mama.«
    »Wie, von meiner Mama?«
    »Wie die gestorben is, da hab ich der ihre Sachen geholt. Für dich. Später mal.«
    Chantal löste den Blick nicht von dem Foto. »Kann ich das haben?«
    »Ja, klar, aber erst mal müssen die ‘ne Kopie davon machen oder so.«
    Tina nickte und streckte die Hand danach aus. Chantal sah sie lange an, dann gab sie es ihr. »Wenn ich das nich zurückkrieg, dann jag ich dein Scheißpräsidium in die Luft.«
    »Kannste machen. Dann hab ich endlich mal ‘n paar Tage am Stück frei.«
    Damit hatte sie nun eindeutig gepunktet.
    »Jetzt musste uns aber noch sagen«, fuhr sie fort, »wann Marco abgehauen ist. Oder wann du gemerkt hast, dass der weg ist.«
    Chantals Miene verfinsterte sich wieder. Sie presste die Lippen zusammen, sah keinen von uns.
    »Hör mal, Chantal«, wagte ich mich vor, »jetzt ist alles wichtig. Echt alles.«
    No reaction.
    Hotte berührte sie leicht am Arm. »Chantal?«
    Sie holte tief Luft. »Also, ich hab die Wäsche aufm Balkon aufgehängt. Und wie ich wieder in der Küche war, da war der weg.«
    »Welche Wäsche?«, entfuhr es Hotte. Er biss sich sofort auf die Lippen, aber es war zu spät.
    Chantal warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Der hat sich noch mal angemacht, da hab ich ihm das Höschen ausgewaschen.«
    Ich wusste plötzlich, was passiert war. Chantal war auf den Balkon gegangen, um eine Zigarette zu rauchen.
    »Es ist nicht deine Schuld, Chantal«, sagte ich. »Marco wollte weg, um jeden Preis der Welt. Er hat geglaubt, er wär hier nicht mehr sicher. Der wär auch abgehauen, wenn du nicht auf dem Balkon, sondern auf dem Klo gewesen wärst, weißte? Der wär auf jeden Fall weggelaufen.«
    Sie hob einen Wimpernschlag lang den Blick und sah mich an.
    Tina packte uns alle drei ins Auto und fuhr uns nach Kalk, ins Präsidium. Sie befragte erst Chantal in Hottes Anwesenheit. Dann Hotte, während Chantal neben mir auf dem Stuhl im Flur herumhibbelte. Und schließlich mich. Ich hatte mir während des langen Wartens überlegt, wie viel ich Tina erzählen wollte. Und was eventuell warum nicht. Als sie

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