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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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meiner Sendung über das Jugendamt aus ihrem Interview gemacht hatte, ganz zufrieden gewesen war.
    »Was heißt, Sie haben sich um die Kinder gekümmert?«, fragte sie ungläubig.
    Ich erzählte ihr einen Teil der Geschichte, ohne Hotte zu erwähnen. Natürlich wollte sie wissen, wo Chantal steckte, und drohte mir sogar mit Konsequenzen, wenn ich eine Minderjährige ihren Erziehungsberechtigten vorenthielte.
    »Welche Erziehungsberechtigten?«
    Worauf sie gar nichts mehr sagte.
    Also lenkte ich ein und versuchte erneut, sie davon zu überzeugen, dass sie mit mir reden musste.
    »Frau Leichter«, sagte sie so leise, dass ich sie kaum verstand, »man hat mir gesagt, Marco sei möglicherweise missbraucht worden.«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Eine Polizistin. Die mich vernommen hat. Wissen Sie etwas darüber? Haben die Kinder Ihnen etwas darüber erzählt?«
    »Frau Lanzing, Frau Grimme hat den Jungen an Männer verkauft. Die ihn missbraucht haben.«
    »Das ist eine Lüge! Wie kommen Sie dazu, so etwas zu behaupten! Die Frau ist tot!«
    »Haben Sie ein Faxgerät?«
    »Natürlich haben wir ein Faxgerät, was soll diese Frage?«
    »Dann stellen Sie sich jetzt direkt daneben. Frau Grimme hat in meiner Wohnung ein kleines Notizbuch versteckt. Als sie bei mir zum Interview war. Das Büchlein hat die Polizei, aber ich habe Kopien davon. Und die faxe ich Ihnen jetzt. Es wäre vielleicht hilfreich, wenn nur Sie selbst die in die Hand bekämen. Sagen Sie mir die Faxnummer?«
    Schweigen.
    »Frau Lanzing?«
    Sie gab mir die Nummer durch. Hängte ein. Ich holte meine Kopien aus dem Versteck, lief runter in das Internetcafé und gab sie der netten Iranerin, die dort arbeitet. Sie faxte mir alles durch und gab mir die Bestätigung.
    Ich gönnte Frau Lanzing eine halbe Stunde. Dann rief ich wieder an.
    »Tut mir leid«, sagte sie mit einer ziemlich brüchigen Stimme, »da kann nicht Ihnen nicht weiterhelfen. Wenden Sie sich bitte an die Pressestelle.«
    »Wann kann ich Sie wo treffen?«
    Schweigen.
    Dann gab sie mir ihre Handynummer und flüsterte, ich solle sie morgen Abend anrufen.
    Ich hätte sie gern zu einem früheren Termin gedrängt, ließ es aber sicherheitshalber bleiben. Wenn ich sie zu sehr in die Enge trieb, machte sie womöglich ganz zu. Ich hatte sie als eine kluge und warmherzige Frau kennengelernt und war mir sicher, dass sie tierisch darunter litt, dass sie Grimme nicht durchschaut und nicht kontrolliert und ihr Marco und womöglich auch Tamara schutzlos ausgeliefert hatte.

DREIZEHN
    Neles Abschiedsabend war zu einer makabren Mischung aus Gelächter und Aggressivität geraten. Hertha hatte sich schon im Vorfeld mit einem fetten Joint plus ein, zwei oder vielleicht auch drei Grappas gestärkt, das Gulasch hatte einen leicht angebrannten Beigeschmack. Nele hatte ihre Emotionen genauso wenig zeigen können wie Hertha und abwechselnd herumgeätzt und -geblödelt, Hotte war schweigsam-depressiv gewesen, Chantal nervös und angriffslustig, und ich hatte den Klassenclown gespielt. Bis Hertha trocken meinte: »Lass gut sein. Et is, wie et is.« Worauf Nele feierlich erklärt hatte: »Hertha, ich komme voll clean zu dir zurück!« Worauf wiederum Chantal einen hysterischen Lachanfall bekam.
    Am andern Morgen war ich schon um halb sieben aufgestanden, um in Ruhe meditieren zu können, bevor dieser Tag über mich hereinbrach. Ich war zur Bäckerei gelaufen, hatte Chantal in Empfang genommen, Nele die Tüte mit den Krimis in die Hand gedrückt, sie noch mal heftig umarmt und ihr »Du wirst es schaffen« und »Du wirst mir fehlen, Süße« ins Ohr gemurmelt.
    »Du mir auch!« Sie hatte ziemlich verzagt geklungen, und ich hatte ihr geschworen, dass ich sie in Düren jeden Tag anrufen und auch mal besuchen kommen würde.
    Dann saß ich mit Chantal am Frühstückstisch, vor uns ein Brotkorb voller Croissants und Roggenbrötchen.
    »Wieso hast’n so viel von dem Zeug geholt?«, fragte Chantal misstrauisch und wies auf den Brotkorb.
    »Weil wir gleich Besuch kriegen.«
    »Wie, Besuch?« Jetzt war sie in Alarmbereitschaft.
    »’ne Freundin von mir kommt vorbei, die …«
    »Jetzt?«
    Sie war so voller Misstrauen, dass sich ihr ganzer Körper versteifte. Ich probierte es also mal wieder mit der Wahrheit. »Es ist Mary, von der hab ich dir schon erzählt. Die Kung-Fu-Lehrerin, weißte?«
    Lauerndes Schweigen.
    »Die hat doch angeboten, dass du bei ihr Kung-Fu lernen kannst.«
    Ein Hauch von Neugier schlich sich in das

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